Tacheles: Wer du bist, weiß allein dein Online-Partnervermittler?
Wer mich kennt, weiß, dass ich den Menschen Mut mache, das zu verwirklichen, was schon in Delphi stand: „Erkenne dich selbst“. Ich war lange Zeit sehr nah am Puls des Personalwesens, und dort stellt man gemeinhin diese Frage: „Nenne Sie mir doch bitte ihre wichtigsten Eigenschaften – die Stärken reichen mir völlig aus“. Nun, obgleich sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte, dass genau diese Frage zu erwarten ist, wissen viele Bewerber keine Antwort darauf.
Nicht nur im Beruf, auch bei der Alltagspersönlichkeit sollte jeder Mensch seine Eigenschaften kennen und wissen, welche davon besonders effektiv sind – für sich selbst, aber auch für andere. Sobald es zur Frage der Partnerschaft kommt, sind solche Kenntnisse sogar völlig unerlässlich. Wenn ich eine Partnerschaft suche, muss ich wissen, was ich in dieser Partnerschaft geben will und was ich von dieser Partnerschaft im Gegenzug erwarte. „ich will mich verlieben“ oder „ich suche meinen Traumpartner“ sind dümmlich-naive Wortwolken, die lediglich in der Werbung einen Sinn haben.
Doch halt – sobald ich wirklich einen Partner suche, darf ich mein gesamtes Wissen über meine Persönlichkeit, meine Wünsche und mein Selbstverständnis an der Garderobe abgeben. Ich werde zuerst abgescannt, dann katalogisiert und schließlich abgestempelt: Ein Algorithmus befördert mich ins Postfach meiner Sollpartnerin, die möglicherweise sehr abseits von meiner Wunschpartnerin ist. Sicher – nachher darf ich mich möglicherweise wieder anziehen und mit weiteren Attributen schmücken – das ändert aber nichts mehr an meinen Vermittlungskriterien.
Na schön – es gibt Gegenargumente gegen diese Form kollektiver Entmündigung: Das eine ist das Prinzip, dass die Raster möglicherweise ohnehin grob sind, und unter 20 Vorschlägen doch einer dabei sein dürfte, der meinem Bild von mir entspricht. Ein anderer Einwand, den ich oft höre: Es gibt nicht allzu viele Menschen, die sich über ihre Persönlichkeit viel Gedanken machen – der Psychotest sei ein Anreiz zum eigenen Weiterdenken. Darin steckt bereits das Körnchen Zweifel, ob wir Menschen denn eigentlich überhaupt in der Lage sind, uns selbst zu beurteilen. Manchmal, so wird mir jedenfalls berichtet, hat man den Verdacht, als wollten die Psycho-Profis bei den Agenturen uns sagen: „Ey, hören Sie mal, sie Laienwürstchen, glauben Sie denn wirklich, sei seinen besser in der Lage, sich zu beurteilen, als wir?“
Ja, das glauben wir Laienwürstchen, Menschen und Staatsbürger. Wir glauben nun einmal, frei und gleich geboren zu sein, unsere Menschenrechte nicht nur zu besitzen, sondern auch durchzusetzen – und wir sind der festen Überzeugung, dass nur wir selbst uns gerecht definieren können – selbst auf die Gefahr hin, dabei zu versagen.
Diese Gefahr besteht durchaus – aber sie wird durch Psychotests nicht einmal kleiner. Denn der Tests weiß nichts von unseren leider vorhandenen Überbewertungen und den daraus resultierenden völlig überzogenen „Ansprüchen“ an den Partner. Wurden wir durch den Wolf der Psychomaschine gedreht, kommen hinten Kompatibilitätsprozente heraus – mehr nicht.
Haben wir Glück, dann ist der Test wenigstens so, dass wir uns sagen: Nun ja, mit dem einen oder anderen könnet man sich wirklich mal treffen – haben wir Pech, so trifft dies nur bei etwa einem Drittel der Partner zu. Ob dies wirklich eine Frage von „gut Glück“ ist, wissen wir nicht – es kann euch eine Frage eines unbrauchbaren Psycho-Tests sein.
Dies – und nur dies – ist der Grund, warum die Liebepur die Partnerübereinstimmungstests so kritisch im Auge behält. Jüngste Tests – so löchrig sie auch waren – haben erste Aufschlüsse darüber gegeben, dass manche Partnertests offenbar höhere, andere aber deutlich niedrigere Erfolgsquoten haben.
Die Frage ist, warum dies gegenwärtig so ist – und ich darf alle interessierten Leserinnen und Leser hier nochmals dazu einladen, dazu hier einen eigenen Beitrag zu veröffentlichen. Denn eigentlich sollte der „Psychotest“ ja mehr sein als nur das Sahnehäubchen obendrauf, wie viele Kunden von Partneragenturen meinen. In Wahrheit ist dieser Test der Dreh- und Angelpunkt des computerisierten Vorschlagssystems – und die Vorschläge können nun einmal nicht besser sein als die Grundlagen.