Wissenschaftler und Frauen vereinnahmen die Liebe
Was ist eigentlich die Liebe? Nun, im 20. Jahrhundert haben sowohl das Volk wie auch die Schriftsteller die die Definitionsmacht an eine Gruppe von Menschen abgetreten, die von all dem nur kleine Teilaspekte versteht, sich aber in purer Selbstherrlichkeit anmaßt, sich zu allem äußern zu dürfen, was die Liebe betrifft: Psychologen, Psychiater, Soziologen, Evolutionsbiologen, Gehirnforscher – alle wollen etwas dazu sagen.
Nicht, dass sie kein Recht dazu hätten – in westlichen Demokratien herrscht Meinungsfreiheit – was ich beklage, ist vielmehr, dass sie die Teilaspekte, dies sie beforschen, allzu oft als eine Universalsicht vermarkten.
In den letzten Wochen ist mir noch ein anderer Aspekt aufgefallen, den ich in der Liebeszeitung schon einmal angerissen hatte: Die Ansichten der Liebe, die Volk heute vertritt, sind fast ausschließlich weiblich dominiert, und auch diese Wandlung ist erst im 20. Jahrhundert entstanden. Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts definierte die Literatur nicht nur ein männliches Bild der Liebe, von den Troubadouren bis zu den Jugendstilschriftstellern, sondern den Frauen wurde die Fähigkeit, wirklich und innig zu lieben, schlicht abgesprochen.
Als ich aufwuchs, also Mitte des 20. Jahrhunderts, wurde mir hingegen bereits das Bild vermittelt, alleine die Frauen seien für die Liebe zuständig – Männer seien aufgrund ihrer triebhaften Veranlagung gar nicht in der Lage, innig zu lieben.
Dieses Bild ist in den Köpfen der Frauen bis heute fest verankert. Sie fühlen sich kompetent für die Liebe – und zwar ausschließlich sie. Kein Mann kann sich leisten, einen derartigen Kitsch zu verzapfen wie eine 14-jährige, die vom Deutschlehrer für ihre Liebesgedichte gelobt wird, und kein männlicher Autor wird dem Massenkitsch trotzen können, die unsere schreibenden Frauen ständig absondern. Ja – ich meine die Machwerke, die uns als „mitreißende Liebesromane“ untergeschoben werden.
In gewissen Bereichen des Lebens haben Frauen die Macht übernommen, weil sie fähiger, kompetenter, verträglicher und flexibler sind als Männer. Das akzeptiere ich gerne, weil ja auch ich einen Vorteil davon habe, wenn Menschen ihr Aufgaben kompetent erledigen. Aber die Definitionsmacht des Volkes über die Liebe würde ich doch gerne dem ganzen Volk überlassen und nicht ein paar vorwitzigen Massenkitschfabrikantinnen, die Frauenseelen überzuckern.