Diese Woche (9/2010) in Dating: Verschlossen wie die Austern
Die Teilnehmer am Dating-Markt sind verschlossen wie die Austern, wenn es um wirtschaftliche Kerndaten, die „Geheimrezepte“ ihrer Psychotests oder auch nur um die Prognosen für die Branche geht. Ich musste dies diese Woche erfahren, als das Nielseninstitut Zahlen veröffentlichte, die der Branche offenbar erheblich sauer aufgestoßen sind – so zugeknöpft wie in diesem Fall haben sie noch nie reagiert. Offenbar war ihnen peinlich, wie viel Geld sie in die Werbung pumpen. Dabei ist es so, dass die Werbeausgaben bei den meisten Unternehmen gar nicht stiegen, sondern fielen. Mein Hinweis an die Branche, dass man aus den geschätzten aktuellen Netto-Mitgliederzahlen anhand von Wahrscheinlichkeitsrechnen die Kosten pro Mitglied und pro zahlendes Mitglied errechnen könne, fanden ebenso wenig Resonanz wie die Anfrage, ob es stimme, dass man ein Drittel des Umsatzes in Werbung investiere: Schweigen wie die Austern.
Wissen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser – ich habe keine Lust, mir Austernzangen zu besorgen. Ich frage mich aber, warum es ausgerechnet gut verdienenden Wirtschaftsunternehmen peinlich ist, Werbeausgaben in Millionenhöhe zu haben und nicht dazu zu stehen. Irgendwie befremdet mich so etwas.
Einer der Spitzen-Werber, eDarling, hat übrigens einen neuen Partner: eHarmony – das habe ich schon lange vermutet, nachdem es heiß, dass eHarmony in den deutschen Markt einsteigen wollte. Nun sind die US-Amerikaner also „indirekt“ drin. Ob es der richtige Weg war? Der deutsche Markt gilt als übermäßig lecker, weil hier nach wie vor klotzig verdient wird – aber eben nicht für alle. Man kann also nur abwarten.
Die „traditionelle Partnervermittlung“ ist gerade wieder stark im Gespräch, und ich vermute den Grund in den Irritationen der letzten Monate, die überwiegend von süffisanten Vermutungen über allerlei Lügen im Internet ausgingen: Interessierte Kreise verbreiteten Sie, und Journalisten greifen dieses Futter immer begierig auf: Flunkereien und Betrügereien, und seien sie auch an den Haaren herbeigezogen, kommen immer gut: Heia Safari. Es ist erstaunlich, dass die Dating-Branche nie dagegenhält – ihr geht es derzeit einfach zu gut. Ob man sich als Online-Partnervermittler allerdings mit den Attributen „Handverlesener“ Partnervermittler schmücken sollte, bezweifle ich.
Übrigens gilt das Gleiche, was ich für Journalisten sagte, auch für Schriftsteller(innen): Miese Datingergebnisse, bei denen man selbst aber immer Klasse rauskommt, punkten am meisten. Wie schade.
Weil ich gerade so schön beim Journalismus bin: Da passt natürlich wieder mal, wie die Handfläche auf die Backe (batsch, batsch), dass die liebe Boulevardpresse herumtönt, ein hoher IQ führe bei Männern dazu, weniger Seitensprünge zu haben. Na klar, das hat eine Londoner Wissenschaftlerin an US-amerikanischen Teenagern und anderen sehr jungen Leuten festgestellt. Teenies müssen unheimlich kompetent für Seitensprünge sein und Journalisten sollten vielleicht wenigstens einmal nachrecherchieren, bevor sie so etwas schreiben.
Ach ja, und so nach und nach dämmert es offenbar den Superlativ-Dummschwätzern, wie blöd es ist, immer vom Traumpartner, vom besten aller möglichen Partner und weiß-der-Henker-welchen Superlativen noch zu schwafeln. Jedenfalls meine ich einen gegenläufigen Trend zu erkennen, zum Beispiel erkläre ich gerne, warum ein guter Mann schwer zu finden ist und wie sich dies ändern ließe. Gilt übrigens auch umgekehrt, und hier noch ein weiterer Artikel dazu – gegen den wieder angefachten Geschlechterkampf und für mehr Vernunft.
Berater sind oft merkwürdig: Man solle beim ersten Date doch als Frau bitteschön eine aufgesetzte Rolle spielen, sagt – na, wer wohl? Eine US-Amerikanerin. Dem hätten wir etwas entgegenzusetzen. Andere Kollegen schreiben da wesentlich interessanter: Früher war nicht alles besser, Dating zum Beispiel war noch viel undurchsichtiger und noch bei Weitem betrügerischer als heute.
In der Spaßfraktion fragten wir uns diesmal, warum es „wissenschaftlich“ gleich ist, ob Sie besseren Oralsex haben wollen oder besser Klavier spielen wollen. Die Schweizer stritten derweil um ein Kinder-Kondom, und deren Christenpartei fand das gar nicht spaßig. Die Schweiz hatte auch Glück: Sie kann sich jetzt diese dämlichen Kuppelshows sparen – Deutsche werden wohl noch lange darauf warten müssen, bis der Mist endlich in der Versenkung verschwindet.
Was noch war? Gelegenheitssex ist angeblich Selbstverwirklichung (fein, da brauchen Sie schon keine Kurse zur Persönlichkeitsbildung mehr) und laszive Mädchen sagen Ihnen, dass sie mal mit Ihnen über Fußball reden wollen, und Asexuelle scheinen eine tolle Nische zu sein, genau wie Esoteriker, und wenn einem absolut kein anderes Wort für Dating mehr einfällt, dann können Sie Flirt schreiben – falls es darum geht, dieses Wort auch noch vor die Hunde zu bringen. Ein Kollege wollte uns noch erklären, was denn nun so toll an Matchingsystemen ist und Friendscout24 hat jetzt einen Liebesdoktor.
Bis zur nächsten Wochen – und wenn Sie mal etwas von der Liebepur wollen: Rufen Sie doch einfach an oder schreiben Sie uns eine Email. Wir reden über fast alles mit Ihnen.