Singles sind nicht immer ledig
Einer populären – aber leider nicht ganz korrekten Annahme folgend, müssen Singles immer ledig sein. Nun sagt der neudeutsche Ausdruck Singles aber gar nichts über den Familienstatus aus, sondern nur darüber, dass Frau oder Herr Mustermann alleine leben – nämlich als Single.
Ich habe in meinem Leben mehrere Menschen getroffen, die als Single gelebt haben, aber verheiratet waren. Der häufigste Grund lag darin, die Scheidungskosten zu sparen – das gegenseitige Verhältnis zueinander war ehevertraglich geregelt. Man mag darüber spotten, aber es ist leider so: Manche Menschen wollen sich nicht scheiden lassen.
Zumeist aber liegt ein ganz anderer Grund vor: Man ist gerade im sogenannten Trennungsjahr, und die Scheidung zieht sich hin, weil Dokumente fehlen, die Gerichte gerade überlastet sind oder weil die eine oder andere Einigung noch nicht herbeigeführt werden konnte. Das alles ist in der Praxis viel heikler als ich es hier schreibe, aber es geht ja nicht um die juristische Frage, sondern einfach darum: Könnte es sein, dass ein Mensch einen neuen Partner sucht, selbst, wenn er noch verheiratet ist?
Ja, das könnte sein, und ja, das ist leider häufig so. Man will nicht mehr allein sein, will wieder die Gesellschaft des anderen Geschlechts genießen, will auch einmal wieder Sex mit einer vertrauten, liebevollen Person haben – und also sucht man wieder.
Partnerinnen und Partner bieten sich übrigens genügend an: Nicht jeder sucht für die Ewigkeit, und die typischen Dreimonatsbeziehungen bei frisch getrennten Personen schaden weder ihm noch ihr, wenn beide wissen, worauf sie sich einlassen.
Ich weiß, wie Psychologen darüber denken, und akzeptiere auch ihre Meinung – nur: Irgendwann muss man mal wieder zurück „ins Leben“ und mancher ist nach zwei Monaten soweit, während ein Anderer zwei Jahrzehnte dafür braucht. Normalerweise gilt: Ehedauer in Jahren mal Monate gibt Karenzzeit. Wer also nach maximal zwei Jahren noch nicht wieder fit für eine neue Liebe ist, sollte sich wirklich einem guten Freund oder einem Psychotherapeuten anvertrauen.