Koydo mal ganz gewöhnlich – als Web 2.0-Anwendung
Wenn man an Koydo herangehen will, sollte man dies völlig emotionslos tun. Es ist erstens eine Geschäftsidee wie viele andere auch, dann eine typische Web 2.0-Anwendung und schließlich ein Unternehmen, das auf ein „Pferd im Galopp“ aufsitzen will – die Partnersuche boomt, da muss auch noch ein Platz für ergänzende Dienstleistungen sein.
Die Kernidee von Web 2.0 ist ja die: Die Betreiber geben sich von vornherein keine Mühe mit Inhalten, weil die von den Nutzern kommen, stellen aber die notwendige Umgebung dafür zur Verfügung. Mit anderen Worten: Die Benutzer arbeiten kostenlos für die Inhalte, die Betreiber hoffen auf den Profit. Das funktioniert leidlich bei YouTube, Flickr, MySpace und StudiVZ, und in Deutschland sogar recht gut beim Geschäftsportal XING. Ähnlich arbeiten auch Bewertungsportale, allen voran Ciao, wobei das letztgenannte dank der dort erwähnten vielfältigen Produkte inzwischen sehr viel Geld wert ist: 2008 kaufte Microsoft das Unternehmen für 486 Millionen USD. Ganz generell lässt sich sagen, dass Web 2.0-Unternehmen ihre Gründer überwiegend durch Verkäufe reich gemacht haben, weniger durch die erzielten Gewinne aus dem Alltagsgeschäft.
Wie interessant ist nun eine Web 2.0-Anwendung für die Benutzer? Auch diese Frage ist einfach zu beantworten: Wenn sie einem etwas bietet, was man anderwärts nicht besser, jedenfalls aber nicht billiger bekommen kann, dann benutzt man sie – das ist zum Beispiel typisch für Flickr oder YouTube. Bei den Produktbewertungen ist es so: Je populärer und Spektakulärer ein Produkt, umso mehr Bewertungen gibt es. Da Objektivität normalerweise zweitrangig ist, zählt alleine die persönliche Meinung. Zu Friendscout24 beispielsweise gab es am Tag meiner Recherchen 95 Erfahrungsberichte, bei Parship waren es 155 – wenn man ein paar davon gelesen hat, kommt man fast unweigerlich zu dem Schluss: Auch die als „sehr hilfreich“ eingestuften Bewertungen sind oft wenig aussagekräftig, weil sie sehr persönlich eingefärbt sind.
Nun wird es aber erst richtig interessant: Wenn man die 95 Erfahrungsberichte (bei Friendscout) in Relation zu den angeblichen sechs Millionen deutschen Singles bei Friendscout setzt, dann kommt ein Prozentsatz heraus, der beim besten Willen nicht als relevant angesehen werden kann. Wobei wir bei der Schwäche der Bewertungsportale wären: Die Objektivität ist schwach ausgeprägt, die Kompetenz selten vorhanden, und die Ergebnisse wirken eher wie Zufälle.
Von der Produktbewertung zur Menschenbewertung ist es ein großer Schritt. Ist schon die Produktbewertung im Internet eher subjektiv geprägt, so kann die Menschenbewertung eigentlich auch nur subjektiv sein. Jeder, der schon einmal an einem Stammtisch eine politische Diskussion verfolgt hat, weiß, von wie wenig Sachkenntnis und Menschenverstand diese getrübt sind: Da werden einfach Meinungen geäußert: Hier bin ich Mensch, hier darf ich reden. Die bisherigen öffentlichen „Menschenbewertungen“ betrafen Professoren und Lehrer, aber auch bereits Huren. Bei all diesen Gruppen könnte man eventuell man noch davon reden, dass ihre Leistungen ja mehr oder weniger etwas mit der Öffentlichkeit zu tun haben – bei Partnersuchenden kann man es nicht. Wer einen Partner sucht, bietet keine Dienstleistung an, sondern tut etwas rein Privates, das nicht in der Öffentlichkeit breit getreten werden sollte. Wer es dennoch tut, wie in diversen Kuppelshows gezeigt, ist selber schuld.
Kommen wir also auf die Partnersuchenden: All das, was Koydo tut, ist nicht neu. Es gab öffentliche, halbwegs anonymisierte Partnerbewertungen bereits vor Koydo, und es gibt seit sehr langer Zeit bereits „bewertete“ Partnerprofile innerhalb von Singlebörsen. Dazu ist nun allerdings dies zu sagen:Ein feiner Mann oder eine Frau von Stand wollte sich noch niemals öffentlich bewerten lassen und vermied daher, auf solchen Partnerbörsen zu erscheinen. Nun wird es sich nicht mehr vermeiden lassen, dass es einem passieren könnte – doch wie groß sind Chancen und Risiken?
Mathematisch gesehen ist beides sehr gering. Die deutschen Anbieter bekommen täglich geschätzte 10.000 Neuanmeldungen, aus denen auch neue Vollmitglieder gewonnen werden. Täglich finden in Deutschland viele Tausend Dates statt (die genaue Zahl ist unbekannt) und die meisten dieser Dates finden niemals ihren Weg an die Öffentlichkeit, weil die Partner gar nicht daran interessiert sind.
Selbst wer im Prinzip interessiert wäre, nicht nur andere, sondern auch sich selbst öffentlich zu zeigen, muss zunächst einmal Koydo kennen, dann überzeugt davon sein, dass es ihm selbst gut tut, dort zu bewerten und schließlich Freude daran haben, so etwas überhaupt zu tun.
Nicht zuletzt haben Profile kurze Laufzeiten: je seriöser und attraktiver das Angebot, umso kürzer ist die Laufzeit. Manche Experten sagen, dass man bei gezielter Suche innerhalb von drei Monaten einen Partner findet, manche geben einem dazu sechs Monate. In dieser Zeit können Partnersuchende, die auch mal verschnaufen wollen, höchstens sechs bis 24 Dates haben – und hat es nach dem ersten Date geklappt, dann ist die Bewertung sowieso wertlos. Immerhin glauben Experten, dass ein großer Teil der Profile nur wegen der Vertragsverlängerungspolitik der Unternehmen so lange erhalten bleibt – aber nicht, weil auch im letzten Quartal noch Partner gesucht werden.
Was ist unser Fazit?
Koydo ist zunächst sehr offensiv an die Presse gegangen und hat damit viel Staub aufgewirbelt. Doch was bleibt bei nüchterner Betrachtung? Eine neue Web 2.0-Idee tritt neben viel andere, und vor allem der eigene Nutzen, den die Bewertenden aus dem Portal ziehen, ist fraglich. Wenn es dennoch ein Erfolg werden sollte, dann dort, wo man lange und unermüdlich immer wieder neue Kontakte unter den gleichen Nicks sucht – im Bereich des „Casual Dating“.
Lesen Sie morgen noch: „Was die Dating-Branche über Bewertungsportale denkt“ – und lassen Sie sich davon überraschen. Wir beenden damit dann vorläufig unsere aktuelle Berichterstattung über Koydo und warten einmal ab, wie sich die Idee in den nächsten Monaten entwickelt.