Mal Seitensprungoase, mal Patientenstation: die Kur
Im Überlinger Kursaal findet bis zum 30. August dieses Jahres eine Ausstellung statt, die sich einem ungewöhnlichen Thema widmet: dem Kurschatten – einer mehr als höflichen Bezeichnung für eine meist heftige Affäre in der geschützten Umgebung einer Kur. Der Südkurier weiß mehr darüber – zum Beispiel, dass ausländische Besucher in der Inflationszeit schon mal die Puppen tanzen ließen: Damals gehörten Huren und Bäder einfach zusammen. Zwar verschwanden die Huren wieder, doch der Ruf, in entspannter Atmosphäre einen Partner finden zu können, lockte nach wie vor manche Damen in die Kurbäder.
Rein sexuelle Beziehungen waren nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst verpönt – die „neue Prüderie“ des katholischen Kanzlers Adenauer lag wie Blei auf den Seelen der 1950er. Dennoch gab es sie natürlich, die Affären und Affärchen, und ab den 1970er Jahren hörte man dann sogar von der einen oder anderen Ehescheidung, die aufgrund der Begegnung mit einem Kurschatten stattfand. Damals war die Kur sozusagen die Seitensprungplattform für Arbeiter und Angestellte, die Anspruch auf Kuren hatten und eine kleine Affäre durchaus genossen.
Ich selbst erinnere mich heftig an den Dialog mit einer selber sehr appetitlichen Bedienung während meines eigenen Kuraufenthalts (nein, ich verrate nicht, wo). Ich war damals auf Diät gesetzt und die Bedienung kam an meinen Tisch und meinte leise: „So richtig an Gewicht verlieren Sie auf diese Weise aber nicht, da brauchen Sie schon noch einen Kurschatten dazu“, worauf ich antwortete: „Nun, hier in der Herzklinik findet man aber recht wenig Frauen“. Das war für die Dame kein Hindernis: „Oh wissen Sie, ich habe einen guten Kontakt zu den Bedienungen in der (… Kurklinik), dort sind fast nur Frauen – da hätte ich auch eine Empfehlung für Sie“, sagte sie mit schelmischem Lächeln.
Mein Glück (oder Unglück) war, dass ich derzeit gerade frisch verliebt war und alle zwei Tagen besucht wurde – da braucht man keinen Kurschatten.