Hast mal ne Emotion für unser Beziehungskonto?
Selbstverständlich, liebe Damen und Herren Psychologen, ist der Kern ihrer Wissenschaft durchaus ernst zu nehmen – daran zweifle selbst ich nicht. Nur warum tun Sie dann alles, um sich in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen? Bei dieser Aussage fällt mir jedenfalls mein noch nicht vorhandenes Gebiss heraus:
„Besonders wichtig ist es, dass dieses 5:1-Prinzip vom Ehemann gewahrt wird. Denn zahlt die Frau weniger auf das „Beziehungskonto“ ein als der Mann, wächst dadurch das Scheidungsrisiko nicht zwangsläufig, wie der Psychologe Thomas Bradbury von der University of Los Angeles herausgefunden hat.“
Außerdem kursieren unter Psychologen doch tatsächlich Scheidungs-Wahrscheinlichkeitsmodelle, die sie selbst offenbar für namhafte Beiträge zum menschlichen Miteinander halten. Abgesehen davon: Die Wahrscheinlichkeit, eine Scheidung vorauszusagen, schwankt je nach Einstellung der Wissenschaftler zwischen 96 und 20 Prozent – und dies sogar nach Eigenangaben.
Mal abgesehen davon sage ich Ihnen noch dies, liebe Psychologinnen und Psychologen: Nehmen Sie gefälligst ihre Finger weg, wenn es um die Liebe geht – davon haben Sie nämlich keine Ahnung. Wenn „Braut und Bräutigam in einer Millionenstadt“ leben und dazu „konfessionslos und bei der Trauung jünger als 21 Jahre“ sind, dann ist das mit Verlaub ihre persönliche Entscheidung, ob sie heiraten werden oder nicht – und vermutlich sch… sie dabei auf Prognosemodelle. Wir alle tragen selber das Risiko für das Gelingen unseres Lebens und unserer Beziehungen – und wir verzichten dankend auf die Meinung irgendwelcher anmaßenden Psychologen dazu. Menschen sind – die sollten auch Psychologen lernen können – durchaus in der Lage, Chancen wie auch Risiken des Lebens selbst wahrzunehmen und benötigen dazu keine Vormünder irgendwelcher Art.
Sollte Sie mir nun „psychologisch“ kommen und mir einen klugen Spruch andrehen wollen, dass weise ich Sie höflich darauf hin, dass aus einer negativen Prognose in der Psychologie auch eine selbsterfüllende Prophezeiung werden könnte. Darüber können Sie ja mal in ihrer Fachliteratur nachlesen und dann entscheiden, was man verkünden sollte und was nicht.
Quelle: Süddeutsche Zeitung.