Glatt, weichgespült, stromlinienförmig
In meinem vorigen Beitrag werden sie erkannt haben, dass ich so ganz nebenbei ein Phänomen erwähnt habe: Die Millionen Profile, auf denen deutsche Singles im Internet herumfahren, gleichen in Wahrheit oft abgefahrenen, zerschlissenen, brüchigen und über alle Maßen belanglosen Sommerreifen.
Ich will Ihnen als Partnersuchender dies weder vorwerfen noch anlasten. Seit den 1980er Jahren ist es nicht mehr sonderlich populär, Profil zu zeigen – man kommt angeblich am besten durch, wenn man stromlinienförmig angepasst ist und nicht weiter auffällt. Alle wirklichen Eigenschaften wurden weichgespült, man hat keine Ecken und Kanten mehr – wer will denn schon einen Menschen mit „Problemen“? Am besten, die Karriere der Männer geht vom Premiumgrundschüler über das Einser-Abi bis zum Studium mit Auszeichnung. Das ist perfekt, aber keinesfalls ein Zeichen für Charakter. Bei Frauen ist es ähnlich, nur hilft neben intensivere Anwendung von Kosmetika und Dessous eine Brustvergrößerung unheimlich – und die Fähigkeit, im richtigen Moment alle moralischen Bedenken zu vergessen. So jedenfalls steht es in den Märchenbüchern der Erwachsene.
Die Wahrheit ist das nicht. Kantigkeit und Profil zählt im Leben, und wer „nie Probleme hatte“, lügt vermutlich besonders gut. Zudem: Ein Partner, der bereits einige Probleme im Leben gemeistert hat, ist bei Weitem zukunftssicherer als einer, der sie ständig verdrängt.
Denken Sie einmal nach. Menschen suchen Menschen, keine weich gespülten, stromlinienförmigen, durchnummerierten Gestalten ohne Eigenschaften. Was meinen Sie?