Die Liebe und die Wirtschaftskrise
Die Kaffeesatzleser haben gerade mal wieder Konjunktur – doch während wir die Damen in seltsamen Gewändern oft belächeln, die uns mit Engelsweissagungen, Zigeunertarot und Kristallkugel beglücken wollen, werden die Damen und Herren der Wissenschaftsfraktion, seien es Psychologen, Soziologen oder Anthropologen, durchaus ernst genommen, wenn es um den Wandel unseres Paarungsverhaltens in der Krise geht.
Zumal, wenn man noch ein paar Hormone durch die Gegend wirbeln kann, wie die populistische Anthropologin Dr. Helen Fisher. Sie meinte gerade, dass Dopamin für die gegenwärtige Liebeslage verantwortlich wäre, denn es würde in Krisen ausgeschüttet und zugleich „mit romantischer Liebe und Glücksgefühlen“ assoziiert. Also seien Sie dabei bei der nächsten Ausschüttung – oder wollen Sie gar keine Krise?
Andere sagen, die Krise beflügele die Orgasmen, die Sexspielzeugbranche und überhaupt alles – natürlich auch Online-Dating, versteht sich. Da kriecht gerade ein Boom nach oben, wie wir alle schon gehört haben. Die Ursache ist angeblich „die Wirtschaftskrise“. Übrigens funktioniert das US-Simpelmodell „in der Krise suchen die Leute kostenlose Angebote“ nicht. Gerade in der Krise sucht man nämlich verlässliche Partner, die den Wert des Geldes zu schätzen wissen und sich klug überlegen, wo sie investieren.
Was wahr daran ist? Sehr wenig. Die Krise hat manche Menschen daran erinnert, dass Geld und Besitz nicht alles ist, dass Arbeit nicht das alleinige Lebensziel sein kann und dass man zu zweit leichter bestehen kann als allein. Dies gilt allerdings nur, wenn man nicht so viele künstlich aufgebauschte Ansprüche stellt und eine vernünftige Partnersuche betreibt.
Wissen Sie, liebe Leser – dies ist nicht die erste Wirtschaftskrise, die sich erlebe. Und dies vielleicht noch dazu: In jeder dieser Krisen hatten die Neunmalklugen Konjunktur – und hinterher? Da waren sie wieder mucksmäuschenstill oder haben den gegenteiligen Trend interpretiert. Wir sind gespannt darauf, welches Hormon das Liebesleben in der Prosperität beflügeln wird.