Dichtung und Wahrheit: der Niedergang der Heiratsvermittler
Die deutschen Ehevermittler stricken gerne an der Legende, Opfer des Internets zu sein. Die Jahrtausendwende soll den Ausschlag gegeben haben, und die Frage war angeblich (Zitat von Simone Janssen nach der FTD): „Viele unserer Kunden fragten sich: Warum soll ich noch zu einer Partnervermittlung gehen? Es sind ja Millionen Singles online.“
Tatsache ist, dass der Anfang des neuen Jahrtausends auch die Gründerzeit für Singlebörsen war. Das Datingcafé wurde 1998 gegründet, Knowone sogar bereits 1995.
Allerdings – und das ist der erste Fehler, den die klassischen Partnervermittler jener Tage machten – waren die beiden Veteranen damals noch klein, relativ schwach und eigentlich keine Partnervermittler. Wenn sie überhaupt eine konkrete Zielgruppe im Auge hatten, dann nicht die Partnervermittler, sondern die Kunden der Anzeigenblätter, die damals bereits einen großen Teil des Geschäfts mit den Bekanntschaftsanzeigen von den Tageszeitungen geerbt hatten. Erst 2001 brachte die Neugründung „parship“ den Online-Vermittlungsboom ins Rollen.
Der zweite Fehler dürfte bekannt sein: Die traditionellen Partnervermittler standen dem neuen Medium nicht wohlwollend genug gegenüber und waren selbst nicht an der Innovation beteiligt, sondern versuchten, die neuen Ideen abzuwerten – was sie teilweise noch heute tun. Dies kam schon deswegen nicht gut an, weil sie selbst nicht beweisen konnten, die besseren Konzepte zu haben – denn Ende des 20. Jahrhunderts war ihre Uhr aus anderen Gründen bereits abgelaufen.
Das dritte Problem nämlich war, dass die Branche zum damaligen Zeitpunkt stark in Verruf gekommen war – der Kampf um die Seriosität war längst entbrannt, und aus ihm entstand dann 1975 der „Gesamtverband der Ehe- und Partnervermittlungen e.V.“ – doch in ihm waren längst nicht alle Partnervermittler Mitglied. „Wahlloser Adressenverkauf und Lockvogelinserate in Zeitungen“ waren die üblichen Tricks, „typenähnliche“ Fotos und Dating-Lockvögel eine andere – vom Finanzgebaren gewisser Firmen einmal ganz abgesehen. Ein großer Teil der Branche saß zudem auf Karteileichen, und der notwendige Zustrom von neuen Kunden, der für das Geschäft unbedingt nötig ist, ließ auf sich warten – aus vielen Gründen, unter anderem wegen der nachlassenden Heiratswilligkeit. Vergessen wir nicht, dass die meisten Institute ausschließlich mit dem Ziel der Ehe vermittelten.
So also liest sich die Wahrheit: Die Branche blutete aus, verlor zuerst Kunden an den seriösen Anzeigenmarkt, dann an die Online-Partnervermittler. Die Gründe waren vielfältig und lagen keinesfalls ausschließlich im Internet-Boom begründet. Vielmehr machte sich der Verfall bereits deutlich bemerkbar, als „Heiraten“ nicht mehr unbedingt das Ziel der Partnersuchenden war. Auch fehlte vielen der damaligen Vermittlerinnen die Ansprache eines jungen Publikums – sie hatten sich einfach nicht darauf eingestellt, dass sich die Welt auch einmal ändern könnte.
Natürlich blieben einige Agenturen übrig – überwiegend solche, die handverlesene Partner vermitteln und über diese nur zu ihren Kunden sprechen – denn die verbliebene Klientel ist ausgesprochen publikumsscheu.
So ist es bis heute geblieben. Maria Klein vermittelt beispielsweise immer noch Partner vom Bodensee aus und nutzt dabei neben ihrer Erfahrung und Medienpopularität auch ihre persönliche Integrität und Ausstrahlung. So wird es wohl so bleiben, solange die Partnervermittlerin immer zusätzlich noch Lebensberaterin ist – und diesen Umstand kann letztlich keine vermittelnde Maschine ersetzen.
Quellen: FTD, parship at, “ Flesch: „Nur ernstgemeinte Zuschriften erbeten“, Düsseldorf 1982, liebepur-recherchen