Unsoziale Netzwerke
In Deutschland schwanken wir beim Wort „sozial““ zwischen Sozialismus und Sozialverbänden, Sozialgedöns und sozialem Verhalten. Was so richtig „sozial“ ist, wissen wir zwar nicht mehr, aber dafür haben wir ja unsere dümmlichen Vorschwätzer: Die labern uns seit Monaten etwas von „Sozialen Netzwerken“ vor.
Es ist eine Mischung aus Gewinnsucht, Dummheit und falschverstandenem Englisch. Ein soziales Netzwerk ist im Deutschen eigentlich die Summe der Personen, mit denen eine Person in näheren Kontakt tritt, oder ganz einfach Familie, Freunde, Kollegen und sonstige gute Bekannte. Inzwischen ist es das durch die unverschämten Umdefinierer nicht mehr, sondern die Summe irgendwelcher, zusammengewürfelter Personen, die manchmal in Kontakt miteinander kommen, dann wieder nicht.
Es mag sogar sein, dass manche der sogenannten „Sozialen Netzwerke“ einstmals wirklich sozial gedacht waren, und ich verkenne nicht, dass der eine oder andere Idealist sich etwas davon versprochen hat: Menschen zusammenzubringen, die das Haus nicht mehr verlassen können, zum Beispiel.
Inzwischen allerdings nennt sich jeder müde Chatveranstalter, jede windige Flirtwebseite und sogar manche Unterhaltungsseite „soziales Netzwerk“ und schreit in die Welt hinaus, wie wichtig es geworden ist. Diese Leute haben mit „sozial“ gar nichts zu tun – es sind (und dies gilt vor allem für die kleineren Netzwerke) Geschäftemacher, die sich im Sessel zurücklehnen wollen, während ein paar einfältige Mädchen und Jungs schon Inhalte produzieren würden.
Tacheles gefällig? Stechen Sie in irgendeines der größeren Netzwerke (von den Tam-Tam-Netzwerken will ich gar nicht reden) mit dem Finger hinein – und lecken sie ihn dann ab. Ich bin ganz sicher, dass Sie keinen Honig am Finger haben.
Übrigens schrieb mir gerade eines der etwas bedeutenderen Anbieter, dass ich beim Eintritt ins Netzwerk zugestimmt hätte, dass all meine Beiträge dem Netzwerkeigentümer gehören würden und ich deshalb keine Änderungsmöglichkeit hätte. So gehört denn auch eine Immobilienanzeige zum „sozialen Gut“ des Anbieters. Ersparen Sie mir bitte einen Kommentar dazu.