Dichtung und Wahrheit der Computer- Partnervermittlung – Teil 2
Dichtung und Wahrheit über die Computer-Partnervermittlung – der zweite Teil des Artikels über die Computerpartnervermittler zwischen 1956 und heute.
Die ursprüngliche Faszination des Computers bestand darin, dass dort eine Maschine war, die offensichtlich über eine Art geheimnisvolle Intelligenz verfügte. Mehr noch als bei den Partnerprogrammen kam dies bei dem einzigartigen Programm „Eliza“ heraus, einem Programm, das auf ziemliche dümmliche und sehr durchschaubare Art einen Gesprächspsychotherapeuten simuliert.
Auch heute noch wird der Glaube an die Psychologie von Computerprogrammen von den Anbietern gepflegt. Man spricht nicht davon, dass man ein Softwareprogramm hat, das nach vorgegeben Kriterien versucht, die Eigenschaften der Partner zu bewerten. Nein, die Werbung spricht von „psychologischen Tests“, die dann auch tatsächlich angeboten und durchgeführt werden – nur wird niemandem verraten, welche Teile davon wirklich in die Partnersuche eingehen und wie genau dies geschieht.
Natürlich wissen die Macher im Hintergrund, dass die Sache viele Haken hat. Der Erste und Bekannteste ist rein pragmatisch: Wenn ich angebe, eine Partnerin zwischen 26 und 30 mit Hochschulbildung im Umkreis von 25 km von (beispielsweise) Bautzen zu suchen, ist die Chance geringer, als wenn ich diese Partnerin in Frankfurt, München oder Hamburg suche – oder gar bundesweit. Das „beste Match“ kann also nicht gefunden werden, wenn die Kriterien zu eng sind, die ich mir gesetzt habe – und es ist nicht untypisch für Deutsche, an der „Scholle zu kleben“. Ich will gar nicht davon reden, dass für manche Vermittler die Landesgrenze die Grenze der Möglichkeiten ist: Wer im Dreiländereck in Weil am Rhein wohnt, das sehr wenig Kennenlernchancen hat, könnte jederzeit auf St. Louis in Frankreich oder auch Basel ausweichen – wenn die Grenzen der Vermittlung dorthin offen sind.
Ist der größte Teil möglicher Matches durch die Wünsche der Teilnehmer bereits eingeschränkt, wirken sodann die geheimnisvollen Psychokräfte des Programms: Was laut Programm nicht geht, geht nun mal nicht – die Herrschaft der „psychologisch“ angehauchten Bits und Bytes geht bei einigen Anbietern immer noch vor der Kraft der Persönlichkeit zur freien Entscheidung. So lernt der 50-jährige, selbstständige, erfolgreiche und sturmerprobte Bauunternehmer möglicherweise die sinnliche, den Künsten zugewandte 35-jährige nicht kennen, obwohl beide aus einem ähnlichen Milieu stammen und durchaus gleiche Vorstellungen von der Zukunft haben. Programmfehler? Nein, Unzulänglichkeit der Programmschöpfer: die nämlich haben ganz bestimmte Ideen in das Programm gelegt, die darüber entscheiden, wer kompatibel ist und wer nicht.
Gelegentlich wundert Teilnehmer, was bei den Programmen herauskommt: Die 38-jährige, etwas schüchterne angestellte Floristin erscheint der Bitmühle aka Computer genau so passend zu sein wie die 35-jährige Ärztin, die kürzlich eigene Praxis eröffnet hat – da hat eben der Schöpfer des Programms nichts zu Ende gedacht – beispielsweise, dass die Zukunft beider Situationen eine völlig unterschiedliche Lebensplanung erfordern würden.
Es ist Zeit, ein Fazit zu ziehen: Die Computerpartnervermittlung ist in die Jahre gekommen – Opas Konzept von 1956 kann nicht ewig mit Psychoblümchen umkränzt werden, wie dies heute noch überwiegend geschieht. Zudem ist der Computer inzwischen auf dem letzten Schreibtisch angekommen – und hat damit viel von seinem Zauber verloren. Drittes aber – und das scheint mir heute das Wichtigste zu sein, müssen die Anbieter herunter von ihrem elitären Image: Menschen wollen vor allem Partner finden und lassen sich nicht mehr „von oben herab“ belehren, wie dies zu geschehen hat. Sie wollen eigene Wege finden und nehmen dazu vielleicht sogar Hilfen an – aber keine Belehrungen mehr, wie man sich dem Partner gegenüber zu verhalten hat.
Was wäre nun an der Zeit? Mehr Transparenz, mehr Offenheit und eine neue Wertschätzung der Person – und eine Prise Humor, an der es noch allenthalben zu fehlen scheint.
Der Autor: Gebhard Roese beobachtet und analysiert den Datingmarkt seit 40 Jahren. Bevor er sich als freier Schriftsteller in Budapest niederließ, war er zwei Jahrzehnte lang Senior Consultant für IT-Anwendungen.