Emanzipationsmütter verlieren ihre Töchter
Die Mütter der Emanzipation waren überwiegend sehr ernste Damen, die ziemlich genau zu wissen glaubten, was für Frauen gut ist – aber wie alle Ideologen, verstanden sie nicht, dass Menschen sich ihre Leben niemals völlig nach einer vorgegebenen Geisteshaltung ausrichten würden – sondern nach dem, was ihnen gefällt – und was sich im Endeffekt nach vielen Trial-and-Error Phasen als der beste Weg herausstellt.
So erkannten die Töchter dann sehr schnell, dass ein Mix aus Bekanntem und Neuen die besten Erfolge versprach – zum Beispiel verlockend sein und dennoch selbst zu entscheiden, welcher Mann wann und für was ins Bett darf. Auch auf anderen Gebieten entdeckten die Frauen schnell, was es ausmacht, emanzipiert und gleichwohl reizend zu sein: Mit weiblichem Charme, geschickter Kommunikation und einem guten Schulabschluss kam man weiter als mit einem Sauergesicht und der reinen Darstellung von Fakten.
Wer dies nutzte, konnte erstaunliche Karrieren machen, die früher niemand für möglich gehalten hätte – und die besten Männer? Die ließen sich eben nicht dadurch einfangen, dass man mit graugesichtig und büstenhalterlos in Jesuslatschen über den Campus schlich, sondern nur dadurch, dass man das alte Spiel der Verführung durch den Flirt beherrschte – eine absolute Horrorvision der Feministinnenmütter.
Emanzipation ist in nur 40 Jahren Alltag geworden – so alltäglich, dass man sich schon gar nicht mehr darüber wundert – dass diese nicht immer mit Gleichberechtigung einhergeht, ist eine ganz andere Frage – sie muss noch relativ häufig eingefordert werden.
Überhaupt: Eintopf schadet allen. Emanzipation bedeutet weder eine automatische Gleichheit der Geschlechter noch bedeutet sie automatisch ein Bekenntnis zum Feminismus. Jener nämlich – der Feminismus – ist mittlerweile zu einer Sandkiste geworden, die in Universitäten ihren stillen Platz gefunden hat – aber keine aktive, gelebte Einstellung mehr.
Wie sollte sie auch? In einer Zeit, in der das Individuum alle Trümpfe seines Leben in Händen hat, sind Bewegungen nicht einmal das Papier wert auf dem ihr Manifest steht. Die jungen Frauen unserer Tage wissen dies sehr wohl. Sie diskutieren nicht, sie leben und lieben, wie sie wollen und wen sie wollen – und das ist wahrhaftig ihr gutes Recht als emanzipierte Frauen – oder etwa nicht?