Wolke 9 oder warum alle Herrn Dresen lieben
Andreas Dresen, der Regisseur des Alterssex-Films „Wolke 9“ ist so richtig der Mann, den ein deutscher Journalist ins Herz schließt: Er hat sie, die Themen des kleinen Mannes, er ist unprätentiös, wirkt ehrlich und aufrichtig – ja, das ist es, was man sich wünscht.
Nun hat er die Alten fest im Griff. Wolke 9 ist ein Alltagsdrama, wie es alltäglicher gar nicht sein kann und es wäre wahrhaftig völlig belanglos, wenn die Akteure 30 Jahre jünger wären. Doch sie sind nicht 40 und 50, sondern 70 und 80 – und nun kommt der entscheidende Faktor, der unsere Presseleute so durchgängig berührt: Man muss doch mal zeigen, dass auch ältere Menschen Sex haben, dass sie trotz Altersflecken Sex haben und dass sie – verdammt noch mal – auch Freude daran haben. Das reicht natürlich noch nicht zum Drama: Das Ganze muss auch noch einen Geruch von Frivolität haben: ein dreckiger Witz, der eher in die SMS-Schublade pubertierender Schüler passt – und ein Seitensprung mit 70.
Derweil lässt sich Herr Dresen allüberall als der Messias des Alterssex feiern – und alle, alle feiern mit ihm.
Bei mir hinterlässt das alles den schnöden Beigeschmack eines lästigen, weil unnötigen Voyeurismus – auch wenn hier nur eine Geschichte erzählt wird. Die Ehefrau, die ihren Mann nach längjähriger Ehe wegen einer Affäre verlässt und ihn damit kränkt – ist das wirklich ein Thema, das bejubelt werden muss? Ist es wirklich so wichtig, zu zeigen, dass die Großeltern noch Sex haben? Ist die Moral erträglich, dass man mit 70 noch einmal zu einem neuen Leben im Lustgenuss aufbricht – wenn man einem anderen Menschen damit verletzt?
Nun bin ich wahrhaftig kein Moralist: Die Liebe in ihren heißen Phasen will manchmal auf Kompromisse hinaus – und die darf es auch geben. Aber in einer langjährigen Liebe muss es auch bei allen Turbulenzen im Alter eine gewisse Verlässlichkeit geben. Wenn es nicht einmal die mehr gibt – warum, um Himmels willen, sollen wir als Männer denn dann bitte noch Frauen heiraten und ihnen dadurch ein gesichertes Leben in den mittleren Jahren schenken?
Und damit Sie alle mich nicht falsch verstehen: Soll der Herr Dresen doch mit seinem Film im Kintopp Kasse machen – dazu wird so etwas ja produziert. Doch bitte liebe Kollegen Kritiker: Legt doch endlich diese alberne Mitfühlmaske für die 70-Jährige ab – die steht euch nämlich überhaupt nicht gut zu Gesicht.
