Das ökonomische Vokabular und die reine Liebe
Die Süddeutsche Zeitung wagt ein Stück Kulturkritik – und wo, bitte schön, könnte man da besser ansetzen als bei der Liebe, die vom Kapitalismus nun schnöde verramscht wird?
Mitnichten, liebe Sabine Magerl und mit Verlaub, das hätten Sie besser recherchieren können:
„Die romantische Liebe ist tief in der westlichen Vorstellung verwurzelt, obwohl sie erst rund 200 Jahre alt ist – eine recht kurze historische Phase.“
Wie so viele andere auch, verwechselt die SZ-Autorin die gesellschaftlichen Realitäten mit den kulturellen Wunschvorstellungen: Zwar erhob das Bürgertum die romantische Liebe schnell zu ihrem Ideal – aber sie dachte gar nicht daran, sie zu praktizieren. Wie denn auch? Da waren Töchter zu verhökern, die sich nur gegen eine beachtliche Mitgift absetzen ließen – und das blieb praktisch im ganzen 19. Jahrhundert so. Erst das 20. Jahrhundert stellte – zunächst sehr zaghaft – die romantische Liebesheirat in den Vordergrund inklusive der bis dahin noch unbekannten „weißen Hochzeit“, nach der heute noch der romantische Teil der Bürgermädchen schmachtet.
Was bleibt? Ein lesenswerter Artikel, der viel Licht auf den Partnermarkt wirft. Der freilich hat mit der romantischen Liebe nichts zu tun, sondern mit der Verfügbarkeit von Partner – was jemandem vielleicht nicht einleuchten mag, der in einer deutschen Großstadt lebt. Doch sollte man ihm (und Ihnen allen da draußen) vielleicht sagen, dass es in Finnland, Schweden und Norwegen noch Gegenden gibt, in denen die Partner dünn gesät sind – ganz zu schweigen von manchen Gegenden Kanadas und der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die so heftig wegen der Marktbetrachtungen attackiert werden.
Auch dies sollte man wissen: Markt wird nicht herbeigeredet – er existiert einfach – und ihn wegreden zu wollen, ist nicht romantisch, sondern ein Zeichen von beginnender Fehleinschätzung der Realität.
Über: Be2
Zur Höhe der Mitgift: bitte schön, hier.
