Männlichkeit – infrage stellen oder nicht?
Eine bekannte Theorie besagt, dass Menschen am meisten jene Überzeugungen verteidigen, über die sie selbst unsicher sind.
Wenn die Theorie zuträfe, dann müssten diejenigen Männer am meisten um ihre Männlichkeit fürchten, die dauernd ihr Macho-Verhalten präsentieren. Das müsste sich unter anderem darin zeigen, dass sie versuchen, die Gedanken Sanftheit, Zärtlichkeit und Sinnlichkeit zu ignorieren. Zudem schrecken sie davor zurück, sich mit allem „Femininen“ zu beschäftigen, zum Beispiel mit Mode, sinnlicher Körperpflege oder elegantem Schmuck. Manche Männer erschauern, wenn man sie auch nur daran erinnert, dass sie auch einen femininen Anteil haben, und insbesondere „unter Männern“ werden alle sinnlichen Themen abgewertet, die auch nur den Anschein einer „weiblichen“ Sichtweise haben.
Dazu las ich kürzlich folgende Sätze:
Das Leben ist zu kurz, um deinen Geschmack so auszurichten, wie die Leute es gerne hätten und wie sie dich beurteilen. Diese Verhärtungen und Befürchtungen loszuwerden und die Kritiker tapfer zu ignorieren, würde vielen Männern zu einem glücklicheren Leben verhelfen … und ich meine damit nicht, dass Männer Röcke tragen sollten, um bessere Menschen zu werden. Was ich denke, ist einfach, dass Männer lernen müssen, ihre Gedanken zu befreien, ohne sich ständig der Zensur zu unterwerfen, ihre Männlichkeit verteidigen zu müssen.
Tatsächlich, so scheint mir, machen Männer dabei den gleichen Fehler, der auch Frauen nachgesagt wird: Sie sehen sich ständig in dem Licht, in dem andere sie sehen wollen. Stark verknappt heißt dies: Frauen wollen vor Frauen und Männern als Frauen glänzen, nicht als Individuen. Wie es scheint, geht es Männer auch so: Erst die Geschlechterrolle erfüllen, dann die Persönlichkeit individualisieren und nach eigenen Wünschen ausstatten. Und dazu kommt – alles, was davon abweicht, möglichst unter den Teppich zu kehren.
Kann sich der Mann eigentlich leisten, die „geschlechtsspezifische“ Rolle gewissermaßen „an der Garderobe abzugeben“? Und falls er es täte, wäre er für Frauen weithin interessant? Oder würden Frauen den Macho bevorzugen, der sich über Muskeln, Penis und Kaufhausjeans definiert?
Was meinen Sie dazu?