Wie keusch darf man/frau sein beim Dating?
Eigentlich hatte ich den Begriff „keusch sein“ schon aus meinem Vokabular gestrichen. Doch im Zuge der #MeToo-Debatte fällt mir eine neue Form von Keuschheit auf, und die geht so:
Wenn die Frau nicht in Verdacht kommen will, eine Schlampe zu sein, zieht sie sich keuscher an als eigentlich nötig, und ihre Kommunikation ist wesentlich keuscher (noch mehr als dies ohnehin meist der Fall ist). Wenn der Mann nicht in Verdacht kommen will, missverständliche Gesten oder Redewendungen zu gebrauchen, darf er nicht zeigen, dass er sie physisch begehrt (und es selbstverständlich auch nicht sagen).
Was dabei herauskommen könnte, sind Null-Risiko-Dates, Null-Fun-Dates und überhaupt „die große Langeweile“. Und natürlich begünstigt diese neue Form des Datings auch jedwede Art von Lügen. Der Mann, der nicht zeigen darf, dass er eine Frau begehrt? Die Frau, die nicht zeigen darf, dass sie einen begehrenswerten Körper besitzt? Ja, was soll der Mann denn dann begehren? Ihr Physik-Diplom? Die vom Vater ererbte Villa?
Ach, ja – sicherlich ihre wundervollen sozialen Fähigkeiten. Ihre Güte, ihr sinnhaftes Leben. Die Nuancen ihrer wundervollen Persönlichkeit.
Blah, blah blah … ich bezweifle nicht, dass der Mann (oder die Frau) längefristig Facetten und Nuancen der Persönlichkeit liebt, die nicht so offenkundig sind wie der lustvolle Mund- schließlich glaube ich an die Liebe. Aber es ist ein Bullenscheiß, so etwas auf einem ersten Treffen präsentieren zu wollen.
Keuschheit bei der Partnersuche passte zu Uromas Erziehung und Lebensweise. Wer dergleichen heute noch versucht oder gar propagiert, passt ins 19. Jahrhundert – mit all den Einschränkungen, denen die Menschen damals ausgeliefert waren.