Der Geruch des Marktes – sollten SIE sich vermarkten?
Alles – nur das nicht. Sich nicht anbieten, sich nicht zur Schau stellen, niemanden aktiv suchen. Man möchte meinen, wir wären noch im 19. Jahrhundert, bestenfalls in den 1950er Jahren. Eine Frau soll attraktiv sein, ja sicher. Dezent attraktiv. Man spricht immer noch über die Hautfläche, die freiliegen darf, sei es oberhalb oder unterhalb der Brüste, unterhalb des Schritts oder sonst wo. Manche Frauen raten inzwischen wieder dazu, möglichst „gedeckte“ Farben zu tragen, auf Röcke, Kleider, Spitzen und High Heels zu verzichten. Wir könnten jetzt auch von Männern reden, sicher. Aber für Männer ist es relativ normal, sich zu vermarkten oder einfach „präsent zu sein“ – auch eine Form des Vermarktens.
Der Mädchenhaftigkeitswahn
Wenn man die Sache mal sehr genau nimmt, ist diese „Mädchenhaftigkeit“ eng verbunden mit dem Bürgertum des 19. Jahrhunderts, das darauf bedacht war, die Tochter möglichst keusch „an den Mann“ zu bringen. Als mehr und mehr Menschen in die Städte zogen, um dort ihr Glück zu machen, behielt man den Gedanken bei. Bis weit in die 1950er Jahre war die „Keuschheit“ und das damit verbundene „sich niemals anzubieten“ die Regel. Spötter sagten damals „Dienstmädchenball“, wenn die jungen Frauen am Samstag zum Tanzen gingen – alle im schwarzen, halblangen Kleid – nur ja nicht anbieten!
Und heute? Plötzlich empören sich junge Frauen, dass sie sich den Gesetzen des Marktes unterwerfen sollen. Richtig sagt die ZEIT:
Dating hat schon immer den Ruch des Marktes in die Liebe getragen und somit eben jene erzürnt, die Liebe und Kommerz geschieden sehen wollten. Die meinen, sie müssten sich nicht vermarkten, oder sollten es zumindest nicht müssen.
Schön – „Dating“ gefällt mir in dem Satz nicht, weil es solch ein Wort in Deutschland nicht gab – und auch heute eigentlich nicht geben sollte.
Nicht-Vermarktung in der Nachkriegszeit: alles ist besser als „Fräulein“ zu bleiben
Und sicher – ja, es gab eine Zeit, in der „Frau“ sich nicht vermarkten musste, weil die Zielvorgabe nicht war, „den Besten möglichen Mann“ einzuspinnen, sondern möglichst einen Mann aus der Umgebung zu suchen, der akzeptabel ist, und ihn dann schnell zu heiraten, damit „das Mädchen von der Straße kommt“, wie man flapsig sagte. Der Hintergrund war allerdings anders: Die jungen Mädchen wollten weg aus dem Elternhaus, wollten endlich nicht mehr „Fräulein“ sein. Und natürlich wollten sie auch „legalen Sex“, denn alles andere war mehr oder weniger verboten oder (falls die Frau nicht mehr „zu Hause“ wohnte) scharf sanktioniert. Markt gab es trotzdem – in den Schulklassen, auf attraktiven Sportveranstaltungen (Rollschuhlauf), auf Partys und bei sonstigen Feiern. Die „braven“ bürgerlichen Mädchen versuchten, sich mit Süße, Nettigkeit und dezenten, aber dennoch verfänglichen Ausschnitten den Markt zu sichern, die etwas Offensiveren zeigten ihre Schönheit schon mal freizügiger – dazu gehört freilich Selbstbewusstsein. Und das war und ist das eigentliche Geheimnis damals wie heute: Selbstbewusste Frauen haben den größeren Erfolg, wenn es um die Vermarktung der Person (und sicher nicht allein des Körpers) geht.
Der Graumarkt: Alles zu haben – gegen Geld und Geschenke
Sicher gab es in dieser Zeit auch einen offenkundigeren Markt: Die „schillernden Beziehungen“ die im Geheimen blühten. Mit allerlei seltsamen Märkten, von der Bar-Prostitution bis zur bezahlten Dauergeliebten. Auf diesem Gebiet gab es einen verschwiegenen Markt, der allerdings klar abgegrenzt war – und von dem die meisten Bürger der damaligen Zeit nicht viel wussten.
„Romantische Liebe“ kontra Markt – oder: Womit wird bezahlt?
Der Geruch des Marktes kann nach Parfüm duften oder nach Urin stinken. Aber er folgt auf gar keinen Fall den Gesetzen „romantischer Liebe“. Denn der Markt lebt von Angebot und Nachfrage – und der Preis kann in Persönlichkeit, Geist, Bildung, Gefühlsstarke, Schönheit, Verführungskraft oder jedem anderen Wert geboten und bezahlt werden. Dann ist es gut. Anrüchig wird es erst, wenn der Preis in Status, Einkommen, Vermögen, Geschenken oder Bargeld gefordert oder entrichtet wird.
Also – vermarkten Sie sich getrost – aber bitte nicht gegen Geld oder Geldeswert.
Zitatenquelle: Die ZEIT (im Rahmen einer Buchbesprechung)