Anders suchen – die unsoziale Augenhöhe
„Ich suche selbstverständlich auf Augenhöhe“ – das klingt gut, nicht wahr? Und doch ist es eine ziemlich dreiste, ja möglicherweise sogar vor Dummheit strotzende Aussage. Denn die „Augenhöhe“ ist nicht selten kaum mehr als der soziale Status, der im Moment erreicht wurde. Diejenigen, die es sagen, reden sich gerne mit Idealen heraus: Sie wollen ja mit ihrem Partner über klassische Musik und anspruchsvolle Literatur reden können, vielleicht gar über die Psychologie oder die Philosophie. Ich frage gar nicht erst, wie oft Sie schon mit Ihrem Partner über derartige Themen gesprochen haben. Was dahinter steht, ist oft gar nicht wirklich Bildung, sondern ein bestimmtes Ideal bürgerlicher Bildung. Ein bisschen mitreden können bei Böll, Benn und Brecht. Zwei Symphonien von Beethoven benennen können oder das Klavierkonzert Nummer eins von Tschaikowsky ansingen können („Tonight we love …“) Wissen, wer dieser Freud, Sigmund oder gar dieser Jung, Carl Gustav.
Augenhöhe heißt oft nur den Idealen der Vergangenheit zu folgen
Die Menschen, die diesem Ideal folgen, sind konservative Denker, deren Gemeinsamkeit darin besteht, das Ideal der bürgerlichen Gesellschaft vergangener Jahrhunderte hochleben zu lassen.
Mit Augenhöhe hat die Suche solche Menschen fast gar nichts zu tun, sondern nur mit „immer weiter so“ – ohne Fortschritt. Und wenn wir jetzt noch diejenigen dazu nehmen, die nicht ihre vermeintliche Bildung, sondern ihre Macht, ihren akademischen Grad oder ihren Kontostand als „Augenhöhe“ ansehen, dann erkennen wir, wie schrecklich rückständig, bisweilen sogar unsozial ein solches Verhalten ist.
Die soziale Durchmischung – garant für „soziale Gerechtigkeit“
Steiger und Gymnasiallehrerin? Handwerker und Schulleiterin? Musiker und Beamtin? Schriftsteller und Unternehmerin? Nein, ich bin nicht dabei, falls Sie so etwas annehmen sollten. Aber ich kenne solche Konstellationen. Sie entsprechen dem, was eine Gesellschaft tun sollte: Sich durchmischen und sich dabei annähern. Wer dieser Tage über „soziale Gerechtigkeit“ faselt, der sollte sich ansehen, in welcher Konstellation er selber lebt: Ein Ehepaar, in dem beide den Status eines Studienrats haben, sollte hier besser das Maul halten.
Die Vergangenheit zeigt fast ausschließlich Modelle, die nicht auf „Augenhöhe“ basieren. Wenn sie verlangt wurde, nannte man das eine „Konvenienzehe“. Ansonsten taten sich Arm und Reich zusammen, oder besser gesagt: Männer mit gutem, verlässlichen Berufen heirateten Frauen ohne Berufsausbildung oder mit einem schlecht bezahlten Jungmädchenberuf. Das war sozial, aber sicher nicht optimal aus heutiger Sicht. Dort, wo die Frau sich früh emanzipierte oder einfach die verlässlichere Person war, trat dann manchmal die umgekehrte Konstellation auf.
Und heute? Heute heiraten sozial ausgezeichnet gestellte Frauen und Männer andere Personen, die ähnlich gut situiert sind. Das ist sozial im Grunde unerwünscht, und im Endeffekt spaltet es die Gesellschaft mehr als das Dauergeschwätz von „sozialer Ungerechtigkeit“.
Anders suchen
Was ich Ihnen damit sagen will? Suchen Sie doch mal ganz anderes. Finden Sie jemanden, an dessen Talenten sie sich erfreuen können und die sie dabei auch unterstützen können. Wenn sie geistvolle Gespräche führen wollen, suchen Sie sich innovative Geister und nicht solche, die ihnen die Ohren mit ihrem Schulwissen voll labern.
Und wann beginnen Sie damit? Heute noch?