Daten mit Therapeuten ist auch nicht das Gelbe vom Ei
Mit Psychologinnen oder mit Psychologen privat ins Gespräch zu kommen, hat einen Haken: Entweder, der im psychologischen oder gar therapeutischen Beruf tätige Mensch ist integer und tritt Ihnen als Person gegenüber. Das wäre erstrebenswert, ist aber eher selten. Schlimmer ist, wenn die Therapeutin oder der Therapeut das, was Sie sagen im Stillen kommentiert und mit seiner Lehre vergleicht, und noch schlimmer ist es, wenn er/sie Ihre Äußerungen sogleich lauthals interpretiert.
Therapeuten aller Art lassen gerne erzählen. Sie hören dann zu, und wenn wir Glück haben, nehmen sie den Sinn und den Hintersinn unserer Worte auf und geben sie an uns zurück. Und wenn das geschehen ist, dann versuchen sie, die Rollen umzukehren. Das ist fair, und das ist menschlich.
Der Therapeut als Provokateur – und nicht nur der Therapeut
Eine spezielle Sorte habe ich vergessen, aber ich wurde gerade erinnert. Sie wollen provozieren, und finden sich dabei wahnsinnig toll – der ander meistens nicht. Die Frage muss nicht unbedingt sexueller Natur sein, kann aber. Und wenn sie heißt: „Was magst du denn so beim Sex?“ oder „nennst du dich im Bett auch Brunhilde?“ Die Liste ist unendlich lang, wobei Männer zwar direkter, Frauen aber kreativer sind. Das Beste aus alten Zeiten, als „Nerve“ noch eine alternative Partnerbörse war, hieß „was finde eich in deinem Schlafzimmer“? Das, immerhin, erforderte kreative Antworten.
Also – da war dieses Date mit einem Therapeuten, auf dem die moderne Gretchenfrage relativ direkt gestellt wurde, nämlich so: „Was magst du denn so beim Sex?“
Ja, und wie antwortet frau darauf?
Eine ZEIT-Kolumnistin hat es erlebt, und hier ist ein Auszug aus ihrem Originaltext:
(Ich …) ringe mit der inneren Doppelschranke. So lange ich nicht weiß, ob ich mich mit diesem Menschen dem „geschlechtlichen Wüten“ (Wiglaf Droste) hingeben möchte, will ich die Details meiner Leidenschaftssteigerung lieber für mich behalten. Andererseits ist Dating nun mal ein Sich-Rantasten mit vielen Interferenzen. Das braucht Zeit, deswegen ist es wenig förderlich, dem ersten Impuls nachzugeben und ein pampiges „Das wirst du später erfahren, oder gar nicht“ rauszuhauen, wie ich es am liebsten täte.
Alle Therapeuten (ob m, f oder sonst was) sind geschlechtlich – und beim Orgamsus vergessen sie ihre Lehren
Ich habe Ihnen dies herausgesucht, um vor allem die „Interferenzen“ deutlich zu machen. „Interferenzen“ sind hier als gedanklich und gefühlsmäßige Überlagerungen zu verstehen. Also etwa: „Ich bin zwar geil, aber eine anständige Frau“ oder „ich stehe zwar auf Soft-SM, aber ich zeige mich vorsichtshalber erst mal als romantischer Typ“.
Natürlich kann jeder, der ein bisschen Erfahrung hat, die Frage abfedern. Denn wenn die Frage gestellt wird, „Was magst du denn so beim Sex?“ kann fast jeder wahrheitsgemäß antworten: „Das Gefühl haben, geliebt zu werden.“
Ja, uns was wäre sonst über Dates mit dem Psycho-Volk zu sagen, von den belesenen Amateuren bis zu berühmten Familientherapeuten?
Sie sind Frauen und Männer, und solange sie in erster Linie das sind, ist alles in Ordnung. Und mal ehrlich: Wenn er oder sie den Orgasmus herausschreit, dann vergessen beide, was sie Kluges darüber zu sagen hätten.
Zitat: DIE ZEIT, Kolumne.