Psychologen – haben Sie einen Sinn im Online-Dating?
Reden wir Tacheles. Viele Psychologen aus der Branche und außerhalb der Branche fühlen sich kompetent, um über Partnersuche, Partnerwahl und Online-Dating zu sprechen. Nur der Sinn ihrer Worte und noch mehr der Nutzen für die Partnersuchenden ist fragwürdig.
Was zeichnet eigentlich einen Psychologen aus? Möglicherweise, dass er Psychologie studiert hat. Na und? Fragen wir nun einmal: Was zeichnet einen Psychologen als Fachmann für Online-Dating aus? Na? Nichts, aber auch gar nichts. Wir wissen, dass Psychologen auf beiden Seiten der Front arbeiten: bei denen, die Online-Dating verherrlichen und bei denen, die Online-Dating anfeinden. Wenn man zynisch ist, kann man sagen: Psychologen können nur recht haben, weil Psychologen immer recht haben.
Diesmal geht’s um Algorithmen. Sicher, Dating-Algorithmen sind ein Spielzeug für Psychologen und Programmierer, Dating-Unternehmen und Partnersuchende, und ja, die Algorithmen sind eigentlich kalter Kaffee. Sollte mich nun erfreuen, wenn ein Herr Eli Finkel, seines Zeichens Professor, verkündet, nur Tinder, Bumble und ähnliche Apps ohne Algorithmen könnten „Partner schneller finden“ und sie seien „heute die besten Wahlmöglichkeiten für Singles“? Ein klares „Nein“ an den Professor.
Forschung an Studierenden udn Ergebnisse für reife Menschen?
Klar hat der Herr Professor ein paar Daten im Köcher. Er hat eine Studie erstellt – mit Versuchskaninchen aus der Studentenschaft. Und dann noch eine … und so weiter. Mit so etwas wird man berühmt, und es schmückt die Profession selbst ebenso wie die Universität, an der man Professor ist.
Warum es Sinn im Unsinn gibt
Nur – das alles nützt niemandem wirklich etwas. Persönlichkeitstests für die Partnerschaft gelten als wissenschaftlicher Unsinn – und ihren Sinn bekommen sie über die Tatsache, dass man sie ertragen hat und Onkel Computer noch seinen Senf dazugibt: „Die da könnte passen“. Und demnach hat alles doch seinen Sinn, denn wenn Sie Beruf, Herkunft und noch ein paar Fakten abchecken, werden Sie feststellen, dass die Algorithmen der Schrottmühle nicht viel taugen, aber ein paar Nebenbedingungen schon besser stimmen als anderwärts. Und: Jemand übernimmt die Vorauswahl, die Sie selbst nicht leisten können oder nicht leisten wollen. Ganz ähnlich ist es mit den Fragen, die andere stellen: Wer bist du aus eigener Sicht und wen möchtest du aus deiner Sicht?
Psychologengeschnatter: Du weißt nicht, wer du bist – du weißt nicht, was du willst
Schon geht das Psychologengeschnatter wieder los. Die einen sagen, dass nur der Algorithmus weiß, wer du bist, weil er auf dem enormen Wissen von über 100 Jahren psychologischer Forschung beruht. Und wenn man nicht selbstbewusst genug ist, dann interpretieren dass irgendwelche Psychologen in den Online-Dating-Firmen noch so, dass du niedrig gestelltes und ungebildetes Laienwürstchen ja gar nicht wissen kannst, wer du wirklich bist. Und wen du willst? Das kannst du natürlich auch nicht wirklich wissen, wen du willst – der gottgleiche Psychologe weiß das, weil er es weiß. Und weil er wahrscheinlich auch mal wieder Test mit ein paar Studentinnen und Studenten gemacht hat, die ihm das belegen. Komisch, dass diese Tests immer für alle Alters- und Erfahrungs-Stufen und außerdem für die die gesamte Menschheit gelten, nicht wahr?
Nun gut – da wäre noch das Realtreffen, die Real-Sicht, das reale Verlieben. Nur: Warum um alles in der Welt soll man 50 nutz- und ziellose Treffen per App mit Leuten absolvieren, die App- und handysüchtig sind und „ein bisschen Spaße“ haben wollen? Denn selbstverständlich kann ich im traditionellen Online-Dating bei guter Vorbereitung ein erheblich besseres Ergebnis mit etwa fünf Dates erzielen, weil ich dort ganz überwiegend Leute finde, die wirklich einen Partner suchen.
Ich sprach vor einiger Zeit mal einen Immobilienmakler, der sagte, dass es immer mehr Leute gäbe, die sich einen interessanten Nachmittag machen wollten, um Häuser zu besichtigen. Sehen Sie, und jetzt wissen Sie, was ich über Leute denke, die eigentlich keine Beziehung suchen, sondern ein Date „so toll aufregend finden“. Sie stehlen den anderen ihre Zeit, um sich zu amüsieren. Und das ist wirklich nicht nett.