Stecke deine Rute ein, ich will auch immer artig sein
Je näher der Nikolaustag kommt, also der Namenstag jenes Mannes, der in der Realität unserer Tage wenig vertrauensvoll aussieht, weil er einen falschen Bart trägt, umso mehr erinnern sich die Menschen an einige Spruchweisheiten. Ob nun der Nikolaus höchstselbst, ein Schweizer „Chlaus“ oder „Samichlaus“, ein Weihnachtsmann oder wer auch immer, das war doch die Rute.
Da fragt sich mancher: Was hat die Rute einerseits mit dem Weihnachtsmann, andererseits mit dem Nikolaus, und letztendlich mit der Liebe zu tun? Nun, die Antwort glauben viele bei Theodor Storm zu finden. Der Spart sowohl den Weihnachtsmann wie auch den Nikolaus aus, und schickt das Christkind vor. Das lässt nun höchstselbst den Knecht Ruprecht auf die Erde nieder, wo die Menschen sind – und dann fragt sich’s nur noch: „Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind?“. Denn wenn so ein Kind ward bös‘ gefunden, wusste der hartgesottene Knecht Rat: „Die Rute, die ist hier, doch für die Kinder nur, die schlechten, die trifft sie auf den Teil, den rechten.“
Das hieße ja dann wohl, dass die Rute vom Knecht des Nikolaus recht heftig auf Gesäße appliziert wurde. Freilich nur, wenn der Knecht ausgeknobelt hatte, ob’s vielleicht ein böses Kind sei, das da ehrfurchtsvoll vor ihm stand und nicht wusste, ob es Süßes ins Schnäuzchen oder Saueres auf Popochen gab. Präventiv ging das auch, aber nur beim Weihnachtsmann, dem man wie folgt um den Bart ging:
Lieber guter Weihnachtsmann
schau mich nicht so böse an,
stecke deine Rute ein
ich will auch immer artig sein.
Die Wenigen, die noch Ruten kennengelernt haben, sei es am Weihnachtsabend oder zu anderen Zeiten, werden erschauern. Bis auf einige wenige, die glühende Augen und rote Apfelbäckchen bekommen, wenn sie das Wort „Rute“ auch nur hören.
Für sie ist die Rute ein Wasserfall der Stimulation, die auf den Po appliziert, die Liebe stärken soll. Wer’s nicht glaubt, kann dies nachlesen: im Hudibras (aber ich auch an manchen anderen, weniger ehrenwerten Orten.
Dort wird die Rute als Kur für die Liebe empfohlen:
If matrimony and hanging go
By dest’ny, why not whipping too?
What medicine else can cure the fits
Of lovers when they lose their wits?
Love is a boy by poets styled
Then spare the rod and spoil the child.
Die weniger ehrenwerten Orte in der Literatur dürften wohlbekannt sein: Überall in der erotischen Literatur des 19. Jahrhunderts finden wir die Rutenschläge, die als Strafe getarnt zur Steigerung der Lust eingesetzt wurden.
Doch die Zeit der Ruten ist längst vergangen – andere süße Delikatessen der erotischen Spannung sind an ihre Stelle getreten. Und so muss ich auch Sie am Nikolaustag darauf hinweisen, dass voraussichtlich kein Nikolaus und kein Ruprecht vor Ihrer Tür stehen werden, um Ihnen Konfekt ins Schnäuzchen zu stecken oder die Rute auf ihren Allerwertesten tanzen zu lassen.
Und wenn Sie das Thema als solches nervt, dann vergessen Sie einfach, was Sie soeben gelesen haben.