Heikle Fragen zur Sexualität – wo Psychologie zu kurz greift
Warum haben manche Menschen Lust an der Unterwerfung? Und warum leiden andere Menschen eher darunter, dass sie sich ständig aufs Neue anderen unterwerfen?
Oder wie wäre es damit: Warum behaupten viele Frauen, immer wieder auf „dieselben Typen hereinzufallen“, während andere die niemals sagen würden?
Psychologie – Halbwissen nach Bürgerart
Die Antwort ist schnell gegeben, wenn man eindimensional denkt. Und vom pseudo-gebildeten Gymnasiasten bis zum Zeitungs-Psychologen wird jeder sagen: „Aha! Da mischt Herr Freud mit – irgendetwas in seiner/ihrer Jugend muss da doch extrem schiefgegangen sein.“ Und dann sind alle zufrieden und froh, dass Ihnen ihr Halbwissen mal wieder geholfen hat, die Welt zu verstehen.
Ich stelle mal die provokante Gegenfrage: Warum werden mache Menschen, nachdem sie Alkohol getrunken haben, zu sinnlichen und genussvollen Weinliebhabern und andere zu erbärmlichen Säufern?
Das Schweigen der Klugscheißer
Da schweigen die Klugscheißer. Und wissen plötzlich keine Antworten mehr. Man könnte natürlich Experten fragen. Betroffene zum Beispiel. Trockene Alkoholiker. Selbsthilfegruppen. Aber das wäre mühsam und – sehr wahrscheinlich – am Ende auch nicht aufschlussreicher, zumal man dann die Genießer von Alkohol aussparen würde.
So, und nun mal zurück zu den „armen Menschen“, die irgendwann einmal in ihrer Kindheit oder Pubertät oder auch später ein Erlebnis hatten, das angeblich ihr ganzes Leben verändert hat.
Viele erleben Negatives, wenige denken daran zurück
Diejenigen, die Lust, Genuss oder Freude an sich selbst, an anderen Menschen, am anderen Geschlecht oder an bestimmten Handlungen hatten, erreichen wir überhaupt nicht – wie die Weingenießer. Wir können natürlich nun an die anderen herangehen – an jene, die sagen, sei seien verführt worden, hätten sich unangenehmen Berührungen ausgesetzt gefühlt oder nur mitgemacht, weil es ja alle irgendwie tun. Ich prophezeie: den größten Teil von ihnen erreichen wir nicht, weil sie die unangenehmen Ereignisse „weggesteckt“ oder gar aufgearbeitet haben. Oder einfach, weil positivere Erlebnisse die ersten, eher fragwürdigen Ereignisse überlagert haben. Die wenigen, von denen wir wissen, haben sich während einer Therapie oder aus Interesse an einer Selbstheilung durch Schreiben öffentlich gemacht. Vermutlich zählen sie nicht einmal nach Prozenten, eher nach Promille.
Und nun? Glauben wir wirklich, wir könnten die Welt und Ihre Menschen mit ein bisschen aufgeschnappter Psychologie beurteilen? Nein, wir können es nicht. Nur derjenige kann eine schwierige Lebenssituation beurteilen, der sie durchlebt und letztendlich geklärt hat.
Bild: Historische Illustration, Teilbereich