Zeit, Lust und Bloggen
Zeit, Lust und Bloggen – einerseits Gedanken eines Urgesteins der deutschen Blogger-Szene, andererseits taufrisch: Warum bloggt Gebhard Roese?
Viele Menschen verlassen gerade das, was ihnen einst lieb war: das eigene Blog. Es liegt zumeist daran, dass diejenigen Blogger (Bloggerinnen), die ihr Leben zu weit aus dem Fenster gehängt haben, nun Privatheit reklamieren. Oder dass sie älter werden. „Komm, wir gehen jetzt Bloggen, schnell noch die Welt retten?“ Das findet man nur noch bei den Rechts- und Linksextremisten, Fanatikern und Sektierern.
Schreiben ist eigentlich eine Lust, und Schreiben kann eine Botschaft sein. Schreiben kann uns selbst viel bedeuten: „Ich schreibe, also bin ich.“
Ich sage immer: „Schreiben Sie bloß kein Buch über Ihr Leben – es interessiert keinen Menschen.“ Und das Blog? Es interessiert für kurze Zeit die Neugierigen, wenn man etwas Besonderes mit seinem Leben anstellt. Manchmal geht diese Phase schnell vorbei, manchmal schämt man sich, diese Phase auch nur begonnen zu haben. Ein Lotterleben? Extremsex? Das interessiert Menschen höchstens auf Zeit. Autoren wie Leser. Heute wirken viele dieser Blogs verlassen, wenn sie nicht gar verlassen wurden. Jemand, der sein Leben selbst in die Hand nimmt und gegen die schwere See auf neuen Kurs bringen muss, hat etwas anderes zu tun als Blogs vollzukritzeln.
Oh, ich habe bisweilen Zeit. Zwischen den Aufträgen, die ich gerne annehme und ausführe, zwischen den Spaziergängen und dem Garten, dem Nachdenken, Beobachten und und Zuhören bleiben mir immer einige Stunden, um mich an meine Leserschaft zu werden.
Und: Ich höre ungerne, wenn jemand über das Bloggen hadert, wenn er es aufgibt oder es als sinnlos empfindet. Es ist die letzte Bastion, um die Meinung zu sagen, ohne Internet-Konzernen in die Hand zu arbeiten, die nicht als ihren Profit im Kopf haben.
Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten: Es gibt Blogbeiträge, die Sie in weniger als 10 Minuten schreiben und und korrigieren können. Wenn Sie aber journalistische Sorgfalt walten lassen, und dennoch eine ungewöhnliche Sprache nutzen wollen, und wenn Fakten eine Rolle spielen sollen, dann brauchen Sie viel, viel Zeit.
Und Bücher? Wenn Sie in einer Beziehung leben und ihre Partnerin / ihr Partner auch nur minimale Anforderungen an das gemeinsame Leben stellt, dann schaffen sie keine zwei Normseiten pro Tag, und höchstwahrscheinlich nicht einmal eine.
Ich höre immer wieder: Journalisten, Texter, Contentschreiber und Autoren machen „richtig Kohle“. Mag sein, dass die für manche Stars zutrifft. Aber es ist nicht die Regel, denn die meisten „Freien“ arbeiten für Hunger-Honorare, und dies mehr als 12 Stunden am Tag.
Bloggen? Das ist ein Stück Freiheit. Und deswegen juckt es mich jeden Tag aufs Neue.
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