Mit 40 zurückblicken: wenn die Jugendzeit unbefriedigend war …
Für erstaunlich viele Erwachsene, in den sogenannten „mittleren Jahren“, war die Jugendzeit und die Zeit des führen Erwachsenseins keinesfalls so „erfüllend“, wie später (meist romantisierend oder nostalgisch) behauptet wird. Ich wurde damit erstmals in den 1980er Jahre konfrontiert. Damals traf ich viele Frauen, die früh geheiratet hatten und nun – meist gegen 40 – das aufregende, freie und emanzipierte Leben versuchten. Überwiegend ging die Sache schief – sie konnten zwar nun tun, was sie wollten, aber ihr Sexleben war dürftiger als zuvor in den Ehen, aus denen sie sich oft leichtfertig verabschiedet hatten. Kurz: Das große Abenteuer fand nicht statt.
Ob ledig, geschieden oder in einer Beziehung lebend –zwischen 40 und 50 bekommen viele Menschen Lust, „die Karten neu zu mischen“. Sie erinnern sich an die Träume, die sich in der Jugend nicht erfüllen könnten, und die ihnen beim Erwachsenwerden irgendwie „aus den Händen geglitten“ sind. Das kann alles sein: ein anderer Beruf, ein neues Hobby, ein anderer Wohnort, ein Partnerwechsel – nun ja, oder auch nur andere Möbel.
Manchmal – und davon soll die Rede sein – ist es auch nur der Wunsch, die verdrängten und seinerzeit abgelehnten erotischen Träume neu zu beleben. Man braucht keine Belege dafür: Millionen Frauen zwischen 35 und 50 lasen oder lesen „Mütterlein-Pronografie“. Wir dürfen getrost annehmen, dass es auch andere erotische Werke gäbe, die diese Frauen gerne lesen würden, wenn darum ebenso viele Affentänzchen veranstaltet würden: lesbische und bisexuelle Literatur, Dreier oder Gruppensex. Es muss also nicht immer „SM passiv“ (1) sein, wie in den SoG (2). Gerade diese Art von Literatur beweist, dass Frauen in mittleren Jahren schrankenlose Lust im Kopf haben. Und dass sie darüber in der Trivialliteratur lesen, zeigt und andererseits, dass sie an solchen Praktiken nicht wirklich beteiligt sein können oder wollen.
Zugleich kommen die meisten Menschen (auch Männer) gegen die „mittleren Jahre“ in eine Zeit, in der wir unser Leben gelassener angehen können – und auch die moralischen Vorstellungen ändern sich. Erstmals besteht für viele Erwachsene gegen 40 oder 50 die Möglichkeit, ihr Leben unbeeinflusst von Kindern einzurichten – und sei es nur zum Teil. Der Begriff „meine eigene Welt“ bekommt ein neues Gesicht und die „Privatheit“ kann zurückgewonnen werden.
Oftmals ergibt sich dann aber auch die Frage: „War das schon alles?“ und wenn es nicht „alles“ war, was will ich denn jetzt? Wenn Sie in einer Beziehung leben, wird sich diese Fragen auch ihr Partner stellen. Paare haben es im Grund schwerer, weil beide Teile erst das bisherige Moralkorsett gegen etwas Leichteres tauschen müssen – und dann noch über das reden, was sie nun wollen. Das kann ein verdammt harter Job sein.
Ledige, unabhängige Frauen verkennen oft, welche Möglichkeiten sie haben: Sie dürfen sich heute, anders als in den 1980er Jahren, in jede Richtung frei entfalten. Sie können und dürfen Wünsche wie auch Bedürfnisse äußern und sie haben – freilich nicht unbegrenzt – die Möglichkeit, diese auch umzusetzen.
Mit etwas Vorsicht sollte diese gelingen. Die Nachbarn, die Leute, die Mütter, Väter, Töchter und Söhne, die real oder als kleine Männchen in den Ohren Einwände hätten, sollten nun keine Rolle mehr spielen: Das Motto heißt „Lebe DEIN Leben, nicht das Leben anderer.“
Und in diesem Sinne wünsche ich lustvolle Erlebnisse – und wenn sie nicht eintreffen sollten oder Sei sich nicht dazu entschließen können, wenigstens schöne Träume.
(1) SM passiv kommt in Frauenträumen ähnlich häufig vor wie SM aktiv.
(2) Kurzname für die „50 Shades of Grey“.