Benching und Ghosting – Charakterlosigkeit oder Schwäche?
Zunächst mal: „Benching“ und „Ghosting“ sind Unworte. Sie suggerieren, dass einige unschöne Verhaltensweisen inzwischen zu substantivierten Begriffen geworden sind, mit denen die Partner bei Dates „rechnen müssen“.
Was ist „Benching“? Das bedeutet nichts anderes als einen Menschen „hinzuhalten“, wenn man ihn getroffen hat. Er wird – oft über lange Zeit – auf die „Ersatzbank“ gesetzt, bevor man ihm mitteilt, dass er „wohl eher doch nicht“ für eine Partnerschaft infrage kommt.
Und was bedeutet „Ghosting“? Im Grunde genommen das stille „Verdünnisieren“ nach einem Date (oder mehreren Dates). Der Partner meldet sich nicht, weil er der Ansicht ist, dass es sich nicht lohnt, den anderen noch einmal zu treffen.
Die Begriffe sind im Rahmen der neuen Dating-Apps wie etwas „TINDER“ populär geworden. In diesem Zusammenhang ist interessant, was mir erst vor kurzer Zeit ein Leser schrieb:
«„Ich würde dich gerne wiedersehen …“ kann man doch sich selbst sowieso erst am nächsten Tag ehrlich sagen! »
Der Satz offenbart ein Problem des Zeitgeistes: Wer am Tag des Dates nicht einmal sagen kann, ob er den Partner wiedersehen will und auch sonst keine Meinung zum zweiten Date hat, ist entscheidungsschwach.
Nun ist die Sache nicht so schrecklich neu, wie auch „heute.de“ feststellte. Das Problem hat ihre Ursache in der Unsicherheit im Umgang mit „Dates“. Die Dating-Partner gehen oft unvorbereitet, unsicher und mit viel zu großen Erwartungen zum „Rendezvous“. Ein großer Teil von ihnen weiß mit der Situation gar nichts anzufangen, ein anderer Teil schätzt den Wert eines Dates falsch ein: entweder zu hoch oder zu niedrig.
Im Grunde bedarf es einer Eingewöhnungszeit, um mit Dates ökonomisch umzugehen – und wer sich die nicht nimmt, ist meist enttäuscht von dem, was er dabei erlebt. Hinzu kommt die Annahme, der „Markt“ sei unendlich groß und man könne sich überall „bedienen“ – ein weitverbreiteter Trugschluss.
Warum „Benching“ nur für passive Partner existiert
„Ich rufe dich wieder an“ ist eine der am weitesten verbreiteten Formen einer Absage. Man sollte ihn auf keinen Fall verwenden, wenn man tatsächlich beabsichtigt, den anderen wieder anzurufen. Dann solle man (in etwa) sagen:
„Du, es war wirklich schön mit dir, aber gib mir noch zwei oder drei Tage Zeit. Ich rufe dich bis … wieder an.“
Der einfache Satz: „Ich ruf dich (wieder) an“ heißt hingegen häufig:
„Falls mir etwas an deinem zweiten Date liegen sollte, werde ich dich anrufen – aber es ist sehr unwahrscheinlich.“
„Ghosting“ – eine menschliche Schwäche
„Ghosting“ kann hingegen viele Ursachen haben. Meist liegt bei der Partnersuche ein Irrtum, eine Lüge, ein Kompromiss oder ein „Weiterwurschteln“ vor, wenn es zum Ghosting kommt. Es bedeutet ja einfach, dass sich ein Partner mehr von der Beziehung versprochen hat als ein anderer. Oftmals wird jemand einfach weggeschoben, nachdem man „in sich gegangen“ ist und festgestellt hat, dass die Beziehung langfristig mehr schadet als nützt.
Klar ist das unschön – aber bisweilen auch auch verständlich. Wer „ghostet“, der scheut die Auseinandersetzung. Und weil fast alle Menschen solche Trennungsgespräche scheuen (und manche befürchte, dabei auch wieder „schwach“ zu werden), kommt es oftmals zu solchen misslichen Situationen.
Charakterlosigkeit, Notwendigkeit, Unsicherheit, Zeitgeist?
Je mehr Menschen Online-Dating betreiben, umso mehr Personen sind auch dabei, die auf das System nicht vorbereitet sind und die nicht wissen, wie sie sich entscheiden sollen. Daraus resultiert die Unsicherheit, die oftmals zu Problemen führt.
„Benching“ kann als die Hoffnung der Schwachen und Unsicheren bezeichnet werden, dennoch irgendwann erwählt zu werden – denn um „gebencht“ zu werden, ist Passivität notwendig. Daher sollten Singles gar nicht erst in die „Benching-Falle“ tappen – und das lässt sich definitiv durch aktive, selbstbewusste Partnersuche verhindern.
„Ghosting“ ist nach meiner Meinung unvermeidbar, es sei denn, man würde alle Menschen von Jugend an mit edlen, verantwortungsintensiven Charakteren ausstatten. Das einzige Mittel, „ghosting“ zu verhindern, besteht darin, den anderen Menschen enger an sich zu binden. Doch auch beim „Ghosting“ scheint es so zu sein: Einer der Partner bewertet die Beziehung wesentlich höher als der andere, und man „wurschtelt“ so lange weiter, bis die stille Trennung bevorzugt wird. Wie soll man dem Liebespartner auch sagen: „Für mich ist unsere Beziehung aufgebraucht?“