Das „wohlerzogene Weib“ von der Bibel bis zu Sigmund Freud
Ist (… das Weib …) geistig normal entwickelt und wohlerzogen, so ist sein sinnliches verlangen ein Geringes. Jedenfalls (… ist das Weib …), welches dem Geschlechtsgenuss nachgeht (eine) abnorme (Erscheinung). Das Weib wird um seine Gunst umworben. Es verhält sich passiv. Es liegt dies in seiner sexuellen Organisation und nicht bloss in den auf dieser fussenden Geboten der guten Sitten begründet.
Das „wohlerzogene Weib“ ist, wie wir anderwärts lesen können, vor allem züchtig, im Geiste wie im Körper keusch und bis zur Eheschließung unberührt. Und da der Vater als verantwortlich für die Erziehung gilt, wird ihm geraten: Ist deine Tochter nicht schamhaft, so halte sie hart, auf dass sie nicht ihren Mutwillen treibe, wenn sie so frei ist.
Ist das Weib nicht „wohlerzogen“, so ist es entweder böse oder hurerisch. Und während man nicht lange suchen muss, um die Boshaftigkeit zu erkennen, muss man der verdorbenen Frau in die Augen schauen, denn an ihrem unzüchtigen Blick wird man sie sofort erkennen. Dem wohlerzogenen Weib hingegen wird nur ein „Minimum an von erotischer Bedürftigkeit“ zugebilligt, wird doch „sein Ehrgeiz in der Regel vom Liebesstreben aufgezehrt.“
Übernimmt der Ehemann die Tochter vom Vater nicht als wohlerzogen, so besteht die Gefahr, Unzucht oder Bosheit in die Ehe hineinzutragen. Der Vater sah sich dann veranlasst, die Braut nur unter der Bedingung zu übergeben, ihr die Zügel nicht zu weit schießen zu lassen.
Ich schreibe dies, damit Sie ermessen können, welches Glück es für Sie ist, in der Jetztzeit zu leben. Die Aussagen sind zwischen ca. 2200 Jahre und (leider auch) erst gegen 100 Jahre alt.
Woher stammen diese Aussagen?
Es ist eine Zusammenstellung von Bibelstellen, anerkannten wissenschaftlichen Werken und einem mittelalterlichen Text. Die Auffassungen reichten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Erstes Zitat von Freiherr von Krafft-Ebing, Psychiater, 19. Jahrhundert. Weitere Quellen: Sigmund Freud (1907), Simplicissimus, Bibelstellen des Buches Sirach, datiert 175 vor Christi Geburt.