Salbungsvoll oder knallhart?
In der Liebe, der Lust oder der Leidenschaft wird höchst selten nach „richtig oder falsch“ gefragt. Redet man aber über die Liebe, so zeichnen sich sofort Positionen ab.
Mit anderen Worten: Wenn Sie (gleich ob Frau oder Mann) richtig geil auf den anderen sind, dann definieren Sie die Liebe nicht und Sie moralisieren auch nicht. Dann wollen Sie um jeden Preis vor Wollust versinken und den Sex bis zur Neige ausschöpfen. Und die engen Grenzen der weltlichen, religiösen, oder persönlichen Moral spreizen sich dabei auf wie ein Fächer.
Wenn Sie aber raten, beraten, belehren oder gar maßregeln, dann verengt sich der Fächer. Dann sagen Sie, dass man einander erst wirklich lieben sollte, dann behutsam an die Lust herangehen, und sich schließlich (weil’s ja nun mal anders keine Freude bereitet) hemmungslos hingeben.
Über die Liebe wird salbungsvoll gesprochen – das hat Tradition. Klar sind es nicht mehr die Vögelchen und Bienchen, und Lieschen Müller lernt heute glücklicherweise, was ein Kondom ist. Doch die „wirkliche Liebe“ in solchen Aussagen ist stets die Liebe, in der alles ein wenig geschönt wird, die gut vorbereitet und geplant, emotionssanft und möglichst biologisch-dynamisch abläuft (vom Kondom mal abgesehen) und dabei einfach frühlingshaft schön ist.
Tja, und da fragt man sich als Bürger, Mensch und Autor, ob es denn richtig ist, die Liebe zu verherrlichen und mit derartiger Neo-Romantik zu umkränzen? Ist sie wirklich so zart, sanft und daunenweich?
Oh ja, auch ich halte ich sprachlich zurück. Aber manchmal denke ich: Wir sollten die Dinge lieber beim Namen nennen. Und akzeptieren, dass wir die Liebe eben oft nicht „locker im Griff“ haben und sie eben dann und wann auch einmal so heftig werden kann, dass sie uns überwältigt und unserer Sinne beraubt. Das wäre, so meine ich, ehrlicher.
Was meinen Sie?