Soll die erregende Sinnlichkeit aussterben wie die Dinosaurier?
Die Sinnlichkeit könnte aussterben wie einst die Dinosaurier. Dann wäre es ungefähr so, wie sich machen Jünglinge das Sexleben während der Pubertät vorgestellt hatten: „Am besten wäre, man könnet eine Frau einfach fragen, ob sie Lust hat – dann könnte sie doch entweder „ja“ oder „nein“ dazu sagen.“
Nach dem Wunsch mancher Frauenrechtlerin wäre dies offenbar ebenfalls der Idealzustand, jedenfalls in der grauen Theorie. Was frau trägt? Spielt keine Rolle. Wie provokativ frau flirtet? Spielt auch keine Rolle. Verführungen durch Frauen? Männliche Erfindungen. Sinnliche Dessous? Um Himmels willen, die Kerle sollen den menschlichen Kern in „frau“ lieben, nicht die Verpackung der äußeren Hülle.
Sex aushandeln ist gut, aber Sex als Tauschbeziehung ist schlecht?
Das erste Paradoxe: Auf der einen Seite wird das „Partnershopping“ als kapitalistisch gebrandmarkt und andererseits wird die von Frauen ausgehende sexuelle Ökonomie (1) als Teufelswerk angesehen. Und andererseits werden nun eiskalte Verhandlungen zwischen Frau und Mann über die Transaktionen der Lust geben wie bei einem Business-Deal?
Die weibliche Öffentlichkeit mystifiziert die Liebe
Ein weiteres Paradoxon: Während die radikal-feministischen Frauen überall Sexismus riechen, wenn Frau und Mann auf ungewöhnliche Art zusammenkommen, mystifiziert die weibliche Öffentlichkeit zugleich die Romantik, die Verliebtheit und die Erotik. In allen drei Lustbereichen ist der Zufall, die Unwägbarkeit und die Spontanität der entscheidende Faktor. Und nicht selten ist es die Lust um Ungewöhnlichen, am Abenteuer und am Übertreten von Regeln, das zu solchen Begegnungen führte.
Die schreckliche Anmache und der Frust, niemals beachtet zu werden
Indessen kommt eine weitere Merkwürdigkeit dazu: Während auf der einen Seite Frauen in sogenannten „sozialen Medien“ und wohlfeilen „Hashtags“ berichten, wie oft sie „angemacht“ wurden und wie schrecklich das alles war, darben viele weibliche Singles, die niemals beflirtet werden.
Da sitzt manche ganz normale Single-Frau in Cafés oder Bars, Bistros oder Theken und sendet Flirtsignale aus, die niemals auf einen Empfänger auftreffen. Da schalten andere Single-Frauen täglich ihre Computer an und warten sehnsüchtig auf Nachrichten aus Online-Dating-Aktivitäten – und bekommen nichts, oder wenn überhaupt, dann bestenfalls E-Mail von Dynamitfischern. Leider treffen sie auf keinen Empfänger, wie schade. Ich will das Bild hier nicht zu farbig ausmalen: Aber was Single-Frauen in der Hoffnung auf eine einzige sinnliche Begegnung tun, ist ungeheuerlich aufwendig: Da werden Haut und Haar vorbereitet, sündhaft teure Dessous gekauft, Beine enthaart und Schamhaare getrimmt. Und zum großen Teil – und jetzt wird manche Frau über 40 seufzen – ist es vergeblich.
Wollust im Geheimen – Fassade nach außen
Und bei alldem habe ich noch nicht einmal erwähnt, welche sonderbaren Lüste durch die Gehirne der Single-Frauen geistern. Nicht, wie sie kammheimlich SM-Literatur auf ihre Reader laden, und nicht, wie sie nach ihren Misserfolgen die kleine Vibratorsammlung hervorholen und hoffen, dass sie noch einige brauchbare Batterien finden.
Ich rede hier übrigens nicht von weiblichen Losern, nicht von Frauen, die ihr Selbstbewusstsein irgendwo liegen gelassen haben und es nicht wiederfinden, sondern von ganz gewöhnlichen, durchaus selbstbewussten Single-Frauen. Und sicher nicht nur von denen, die „oversexed and underfucked“ sind, wie man in den USA sagt, sondern auch von ganz gewöhnlichen Single-Frauen über 40, die einfach nach der Erfüllung ihrer höchst unterschiedlichen Bedürfnisse und Lüste suchen.
Der alte Feminismus und die Emanzipation – schrill, aber nötig
Die Diskrepanz zwischen der öffentlichen, verstaubten und irrealen Diskussion um Sexismus und Emanzipation einerseits und dem Alltag der Singles war – soweit ich zurückdenken kann – nur einmal heftiger. Damals, als Frauen begannen, sich bewusst ungepflegt in der Öffentlichkeit zu zeigen, flache Treter trugen, sich sackähnliche Kleider umhängten oder wahlweise Latzhosen trugen und ihre Büstenhalter verbrannten.
Heute ist diese Welle vorbei – und die meisten Frauen und Männer hoffen, dass sie nicht zurückkommt. Aber die neue Welle, bestehend aus Neusprech, sozialer Korrektheit und Verhandlungen über Küsse, bevor sie ausgetauscht werden dürfen, ist beinahe noch erbärmlicher.
Allerdings – zu jenen Zeiten, als die Büstenhalter verbrannt wurden, ging es im Hintergrund tatsächlich ums „Eingemachte“ und die flachen Schuhe, alternative Frauenzentren, Latzhosen und BH-Verbrennungen waren nur überzogene Merkmale dessen, was nötig war. Und das war eine tatsächliche Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Frauen im Alltag.
Heute: Feministische Willkür und die Frage des „Sexismus“
Heute ist es nur die Überheblichkeit eine kleine Clique von Unzufriedenen, überwiegend akademisch gebildeten Frauen, die sich nur noch untereinander verstehen. Ob sie Wasser predigen und Wein saufen? Sind sie in ihren persönlichen Beziehungen auch so merkantil veranlagt? Fragen sie, soweit homo- oder bisexuell, ihre Dates auch, ob sie einen Kuss gestatten?
Sollten wir uns alle von ihnen verunsichern lassen? „Sexismus“ heißt das neue Totschlag-Argument. Es kann immer und überall dann gebraucht werden, wenn eine Frau darüber unzufrieden ist, wie sie behandelt wird, solange es sich um Männer, männliche Gremien oder männlich dominierte Institutionen handelt. Und nun verrate ich Ihnen noch die Pointe: Was ist eigentlich, wenn Frauen in ähnlicher Weise von Frauen, weiblichen Gremien oder weiblich dominierten Institutionen angegangen würden?
Ich lasse Sie mit dieser Frage gerne allein. Nachdenken schadet nicht.
(1) Lesen Sie dazu mehr in „Ökonomie der Sexualität“ – München 2015.