Sex-Themen mutiger angehen?
Das Wort „Doppelmoral“ wird immer dann gebraucht, wenn es zwei unterschiedliche, oft auch gegensätzliche Ausprägungen sittlicher Normen in einer einzigen Person oder Gruppe wohnen. Typisch für Sex-Themen ist dabei die geheime innere Begierde und die öffentliche, oft schroffe Ablehnung des ähnlichen Verhaltens.
Weniger theoretisch?
– Die strenge Kämpferin für den Feminismus konsumiert ihre deutlich jüngeren Gespielinnen auf erniedrigende Art.
– Der Biedermann kämpft öffentlich gegen die Prostitution und geht jeden Freitag ins Bordell.
– Die Politikerin träumt von wilden Orgien, wendet sich aber gegen Pornografie.
– Die alleinerziehende Mutter lädt sich wechselnde Lover in die Wohnung ein, verbietet aber der Tochter sexuelle Kontakte mit gleichaltrigen Männern.
Innere Begierde ist menschlich und sollte nicht kritisiert werden
Ähnliche Verhaltensweisen kann man überall beobachten, und sie sind im Grund genommen sehr menschlich, soweit es die Begierde betrifft. Der Mensch hat nun einmal die Möglichkeit, sich alles zu erträumen, was die Lust hergibt – und dies in allen Farben. Und er hat innere und äußere Hürden, diese Lüste in die Realität umzusetzen, gleich,ob sie realistisch sind oder nicht.
Lust kontra Fanatismus und Ideologie
Das Unmenschliche ist nicht die Begierde, sondern der Fanatismus und die Verlogenheit, mit der Ideologien durchgesetzt werden sollen – dadurch entstehen auch die Fassaden.
Warum gehen wir Sex-Themen (und ich meine nicht nur als Blogger, Journalisten oder Schriftsteller) nicht offensiver an?
Gutmenschen als Zerstörer von Karriere und Reputation
Einen Grund dürften alle kennen, die in der Branche zuhause sind: Die öffentliche Ächtung der Gutmenschenschaft (1) trifft uns sofort, unmittelbar und mit teilweise brutaler Konsequenz, wenn wir sexuelle Themen kreativ angehen. Frauen werden sehr schnell als „Schlampen“ geoutet, Männer in der weiteren Entfaltung ihrer Berufsaussichten gehindert. Mit übergroßen Berührungsängsten weigern sich Zeichner bereits, erotische Bücher zu illustrieren, weil sie dadurch lukrative Aufträge verlieren könnten. Personen, die in ihren Jugendjahren die Fülle ihrer schönen Leiber öffentlich gerne präsentiert haben, werden plötzlich zu Mimosen, wenn man ihre Namen mit dem Attribut „nackt“ versieht. Fotografen mit unglaublich kreativen Fähigkeiten bekommen kaum Aufträge für Werbekampagnen, weil ihr Name zuvor im Zusammenhang mit der Fetisch-Szene gefallen ist.
Die Gesellschaft nimmt das alles so hin, als wäre dies „ganz normal und gerecht“ und applaudiert der Gutmenschenschaft (1) möglicherweise noch.
Das ist der Hauptgrund, warum Sex-Themen, von erotischen Träumen bis hin zu ungewöhnlichen Praktiken, heute noch verteufelt werden.
Mutige Autorinnen – meist unter Pseudonym
Sicher – es gibt mutige Autorinnen, die sich einen feuchten Dreck darum scheren, was die Spießer und Spießerinnen denken – und haben damit Erfolg. Allerdings bleiben die meisten dieser Frauen anonym, weil sie „nebenbei“ noch Sekretärinnen, Krankenschwestern oder sogar Wissenschaftlerinnen sind.
Klärung und Wahrheit statt Nischen und Furcht vor Spießern
Sexuelle Themen müssen deshalb ungeschminkt auf den Tisch, weil sie dazu führen können, Träume, Fantasien und Handlungen besser einzuordnen. Und weil es besser ist, etwas genau zu wissen, statt gefährliche Experimente ohne jede Vorbereitung einzugehen.
Die Frage ist nur: Soll die Liebe Pur es tun?
Meine Antwort wäre: ja, solange es dazu dient, einen einzigen Menschen vor Dummheiten zu bewahren – oder glücklich zu machen, weil er seine Handlungen nun ohne Scham genießen kann.
Was meinen Sie?
(1) „Gutmenschen“ ist angeblich das Unwort des Jahres – zu Unrecht. Gutmenschen sind keine „guten Menschen“, sondern solchee, die anderen ihre Ideologien aufzwingen wollen, die sie selbst als „einzig gut“ definieren.