Und wieder: Genosse Trend lässt grüßen
Gerade lese ich von einer neuen Trendstudie. Aufgemacht ist sie hübsch, ohne Zweifel- aber der Inhalt?
Man baute bei der Prognose auf Manager von Dating-Unternehmen. Das ist fragwürdig, weil ja jeder seinen „Klub“ schönreden muss – und vermutlich deshalb hatten die CEOs bislang nur selten recht mit ihren Prognosen. Und diesmal? Ich habe einige der Haupttrends hinterfragt – entweder sie sind von vornherein banal – oder sie sind nichts als Hellseherei.
Sex und Wollust? Nö – Liebe siegt. Aha!
Original: „Trotz wachsender Sexualisierung der Gesellschaft und des Tonfalls bei der Partnersuche genießt die Suche nach der Liebe beim Onlinedating weiterhin oberste Priorität.“
Ich habe noch sehr selten etwas derartig Banales in einer Studie gelesen. Menschen suchen immer Liebe, und die CEOs verstehen von der Liebe soviel oder so wenig wie jeder andere auch – keine verlässliche Quelle also. Daumen runter.
Das Medium ist die Botschaft?
Neue Technologien bauen „die Brücke zwischen der digitalen und psychischen Welt“. Schön, wenn Technologie Brücken baut. Also: Der Hans kommt schneller auf die Grete, denn gemeint sind „spontane Dates“. Wie weit das Thema auch einen Aspekt von Prostitution in sich trägt? Ein Schelm, wer Arges dabei denkt? Und überhaupt: Wer hat denn diese Idee gehabt? Neue Technologien in Ehren, aber nicht alle Menschen sind ständig mit dem Handy oder dem neuesten „Gimmick“ beschäftigt. Manche arbeiten auch.
Nutzerdaten werden ausgewertet – und das ist gut für Nutzer?
Original: Immer mehr Nutzerdaten und echtes Nutzerverhalten können schneller und besser ausgewertet werden.
Richtig – Nutzerdaten werden ausgewertet, anonymisiert `vermarktet und gelegentlich auch nicht anonymisiert weiterverkauft, weitergereicht oder anderweitig missbraucht. Das tun nicht alle, und nicht alle, die’s tun halten es für illegal: Manche Firmen schreiben so etwas mal gleich in die AGB, damit sie den Rücken freihaben. Ob „Big-Data“-Analysen eventuell auch dabei helfen, einen Partner zu finden? Das behaupten Teile der Branche, aber kaum ein Mensch, der sich tatsächlich mit der Partnersuche auskennt. Wichtig ist, wen man trifft – und nicht, auf wen man klickt.
Frauen beherrschen die Welt?
Original (gekürzt): „Frauen diktieren die Online-Dating Trends. … Frauen suchen bewusst nach den Dingen, die sie zu einem erfüllten Leben brauchen – sei es eine Beziehung oder ein Mann für eine Nacht. Dating Apps stärken das neue Selbstbewusstsein der Frauen und soziale Medien erlauben es Ihnen, frauenfeindliches Verhalten beim Onlinedating anzuprangern.“
Wenn schon jemand von etwas beherrscht wird, dann beherrscht der Markt mit Angebot und Nachfrage das Online-Dating. Frauen bekommen nur dann eine übermäßig dominante Rolle am Markt, wenn sie besonders begehrt sind. Ja … und nur so ganz nebenbei: Frauen, die nach „Dingen“ suchen wie nach „Männern“, also solche, die sich die Welt erkaufen wollen, sind einfach nicht zu gebrauchen als Partnerinnen. Und das „erfüllte Leben“ als Argument zu nutzen? Ich wäre mal vorsichtig dabei, so dick aufzutragen.
Kosten und kostenlos – total banal
Originaltext: Das Angebot kostenloser Flirt Apps wird es auch in der Zukunft geben. Doch nachhaltiger Erfolg und Qualität wird auch weiterhin einen Preis haben.
Sollte ich das überhaupt kommentieren? Das ist eine Binsenweisheit. Allerdings: Nicht nur Qualität wird teuer verkauft. Auch Leerhüllen, in denen nichts als Illusionen stecken.
Manager glauben an „Wissenschaft“ – wen wundert’s?
Da sagen die Trend-Sucher mal was Gutes: „Die Matching-Philosophien der einzelnen Anbieter sind nicht immer transparent“. Besser wäre freilich: „Sind niemals transparent“. Aber Manager glauben daran – oder besser: Sie müssen daran glauben, denn sonst hätten ein Teil der Unternehmen keine Geschäftsgrundlage mehr. Wer wird sich schon den Ast absägen, an den er sich klammert?
Und das Fazit?
Originalton: Partnersuche wird mit Hilfe von digitalen Tools in der Zukunft noch situativer, treffsicherer und vor allem nahtloser zwischen der realen und der digitalen Welt funktionieren.
Das ist Wunschdenken, und extrem blauäugig dazu. Einerseits, weil man seitens der Dating-Unternehmen die „Partnersuche“ als solche falsch einschätzt und dann, weil man das Medium „Digitalkommunikation“ zu hoch aufhängt. Außerdem enthält der Satz einen Denkfehler: Der verbindende Faktor zwischen der realen und der der digitalen Welt heißt allgemein „Mensch“, und nur seinethalben gibt es überhaupt Partnersuche.
Und die Trends? Sollten Sie nicht gerade Manager eines Online-Dating-Unternehmens sein oder eines gründen wollen, dann rate ich, die Trends zu ignorieren. Verlässlich sind nur Sie, die/der Partnersuchende. Entweder sie machen etwas aus Ihrer Suche, oder sie scheitern.
Quelle der Zitate: Pressetext.