Verfügbarer oder passender Partner?
Der berühmte Psychotherapeut, Kommunikationsforscher, Psychiater und Buchautor Paul Watzlawick hat in der Einleitung seines Buches „Menschliche Kommunikation“ (1) geschrieben, wie einfach sich Dinge logisch erklären lassen, wenn man in ihnen keine „Mysterien“ vermutet. Er unterstellt, die Verhaltensforschung beruhe noch „weitgehend auf monadische Auffassungen vom Individuum.“ (2)
Hätten dies die heutigen Forscher auf die Partnerwahl angewendet, dann wäre uns viel psychologisch-spekulativer Unsinn erspart geblieben. Die Partnerwahl ist in erster Linie ein Problem der Verfügbarkeit. Kurz gefasst kann man sagen:
Die Anzahl der möglichen Partner ist auf das Umfeld begrenzt, das man erfassen kann. Darin befinden sich die Partner, die verfügbar sind. Zu Anfang können sich einzeln Exemplare der Gattung „Mensch“ ihre Partner nach beliebigen Kriterien erwählen. Wenn diese „belegt“ sind, bleibt eine geringere Anzahl übrig, die auch nicht mehr alle Kriterien erfüllt. Am Ende gibt es immer weniger Partner, die kaum noch die Kriterien erfüllen.
Das mag hart und bitter für alle sein, die weder Adonis noch Model sind, weder gut verdienen noch soziale Fähigkeiten haben, und denen auch sonst viele „positive“ oder „erwünschte“ Eigenschaften fehlen. Wer glaubt, dies habe etwas mit „Darwinismus“ zu tun, hat nur im Sinne jener recht, die überall den „Sozialdarwinismus“ lauern sehen. Nein, es hat schlicht und ergreifend mit Ökonomie und Statistik, Logik und Mathematik zu tun.
Dem gegenwärtigen Menschen wird vorgegaukelt, es gäbe „eine unendliche Anzahl verfügbarer Partner“. Das ist zwar nicht der Fall, aber es macht sich gut für die Geschäfte, die man betreibt. Glauben die Menschen nun allerdings, dass tatsächlich eine „unendliche Anzahl von Möglichkeiten“ gäbe, so vollziehen Sie auch den nächsten, ebenso absurden Schritt dann nämlich glauben Sie, sie benötigten eine Auswahlhilfe. Auf dieser Konstellation beruhen die Behauptungen der Online-Dating-Unternehemn, sie könnten ermitteln, wer der „passende Partner“ ist.
Man könnte meinen, man sei in Absurdistan: Man gaukelt eine unendliche Anzahl von Partnern vor, um dann solche auszufiltern, die „wirklich passen“? Was könnte absurder sein?
Um es kurz zu machen und die Köpfe nicht mit Zahlen zu belasten: Die Anzahl der verfügbaren Bauerntöchter und Handwerkersöhne, Sekretärinnen und Ärzte in einem etwas abgeschiedenen Gebiet wie beispielsweise einigen Tälern des Schwarzwalds oder der Schwäbischen Alb steigt nicht an. Wer dort einen Partner sucht, muss mit den „verfügbaren“ Alleinstehenden auskommen oder sich anderweitig orientieren, wobei „anderweitig“ immer auch einen Ortswechsel nach sich ziehen könnte. Ich erzähle Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass es in manchen Gegenden Norwegens, Schwedens und Finnlands noch viel schlechter um „heiratswillige“ Partner bestellt ist.
„Unendlich“ ist die Anzahl der Partner(innen) nur für denjenigen, der entweder enorme Zugeständnisse macht oder der sein „Jagdgebiet“ auf ein ganzes Bundesland, eventuell gar auf die gesamte Republik oder alle der deutschen Sprache mächtigen Personen ausdehnt. Für den Rest der Partnersuchenden, die nicht gerade in deutschen Großstädten leben, ist die Auswahl angeblich „passender“ Partner eher überschaubar. Fall Sie selber nachrechnen wollen, sollten Sie berücksichtigen, dass sich mit jeder erwünschten Eigenschaft die Anzahl der möglichen Partner reduziert, und je nach Konstellation bisweilen drastisch. Was letztlich bedeutet: Sie sind gezwungen, auf verfügbare Partner zurückzugreifen, wenn sie nicht allein blieben, wollen.
(1) „Menschliche Kommunikation“ Paul Watzlawick, Janet H. Beavin und und Don D. Jackson, Bern 1969.
(2) Monadisch – in sich geschlossen. Man untersucht dabei beispielsweise das Verhalten ausschließlich an den Auswirkungen, aber nicht an den Rückwirkungen oder isoliert das Verhalten so, dass keine anderen Kriterien infrage kommen.