Das Ende der Monogamie oder die Ära der Populisten?
Irgendwann musste es kommen: Nach dem „Ende der Liebe“ kommt nun ein ebenso vorwitziger Autor mit einem weiteren Buch über einen Verlust, den es gar nicht gibt. Es nennt sich „vom Ende der Monogamie“ – und passt so gut in eine Zeit, in der man Autoren liebt, die jede windige Tendenz schon als kulturelle Wende interpretieren.
Erinnern wir uns einen Moment an Sven Hillenkamp, diesen populistischen Soziologen, der das „Ende der Liebe“ postulierte und damit von allen Kritikerinnen und Kritikern über den Grünen Klee gelobt wurde. Und dies, obgleich er ebenfalls lediglich mit dem Rückenwind einer Tendenz in den Hafen des Erfolgs schipperte: der sozialen Kälte.
Nun also Friedemann Karig. Auch er sieht das Ende voraus … diesmal das der Monogamie. Ein paar Phrasen reichen offenbar, um ein Sachbuch zu schreiben. Die Idee: Monogamie ist theoretisch keine Ausschließlichkeit mehr, sondern eher eine Möglichkeit. Die Kreise, in denen so etwas diskutiert wird, können sich das entweder leisten, weil sie den dicken Zaster auf dem Konto haben, der eine Zweit- oder Drittgeliebte ermöglicht. Oder weil sie so wenig Geld in der Tasche haben, dass sie ohnehin in den Tag hineinleben können.
Oh ja, und da wird wirklich etwas vergessen: Die sogenannten „mittleren Einkommen“, wie auch der Mittelstand als Gruppe, bauten nach wie vor auf die Monogamie als Vertragsmodell für Sicherheit und Wohlstand. Jeder, der schon einmal (oder gar zwei Mal) geschieden wurde, weiß: Scheidung bedeutet zumeist einen mühevollen Neubeginn. Und sei der Vertrag „Ehe“ auch noch so schwach emotional unterlegt, so existiert er doch.
Hören wir auf, falschen Propheten zu folgen. Das Buch „Die offene Ehe“ von Nana und George O´Neill hatte schon den gleichen, sozialschädlichen Tenor: Damals warb man für einen „Neuen Typus der Monogamie“, was ebenso lächerlich war wie die heutige Behauptung, bald nahe das Ende der Monogamie. (1)
Ich zweifle nicht daran, dass zumindest die O’Neills meinten, was sie sagten, und dies auch durchdacht hatten. Aber das Buch traf auf ein Publikum, das auf eine psychisch und intellektuell „offene“ Beziehung, die ja durchaus Vorteile hat, nicht vorbereitet war. Und letztendlich hatte das Buch böse Folgen für viele Ehen: Die Paare konnten mit den Folgen ihrer oft sinnlosen Experimente nicht umgehen, und die Ehen wurden geschieden.
Frau O’Neill sagte später über das Buch: (Zitat)
Das ganze Gebiet der außerehelichen Sexualität ist empfindlich – ich denke nicht, dass wir das Buch als ein Konzept für die Mehrheit gedacht hatten, und es hat sich auch nicht als solches erwiesen.“
Ich denke, das ist der entscheidende Satz zum Thema „Monogamie“. Und es bleibt dabei: Polygamie, Polyamorie, Ehe „zur Linken“ oder das Mätressenwesen sind Ausnahmen in Zeiten und Gesellschaftsformen, in denen der Reichtum maßlos wird und den Verstand tötet. Dabei lasse ich bewusst unberücksichtigt, dass auch mache Künstler(innen) und Lebenskünstler(innen) so leben. Jeder darf leben und lieben, wie er will, solange er seine private Auffassung nicht zur Norm erhebt.
(1) In der deutschen Ausgabe.
Über das Buch von Friedemann Karig können Sie in der ZEIT nachlesen.