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Liebe geht durch die Nase oder an der Nase herumgeführt?

Wer weiß schon, was ihn sie einströmt?

Wer weiß schon, was ihn sie einströmt?

Gegenwärtig lässt sich Wen Zhou wissenschaftlich feiern – oder sagen wir besser: Die PR-Profis der Universität haben zusammen mit begierigen Journalisten versucht, eine relativ kleine, noch recht unbedeutende und zudem höchst umstrittene Studie zu einer Pressesensation aufzubauschen. Sie wird derzeit auch in Deutschland (via dpa) wie eine Sau durch Dorf gejagt.

Das geht so:

Einige recht zweifelhafte Geschäftsleute behaupten seit Jahren, Menschen würden Duftstoffe produzieren, mit denen der Wunsch nach Sex unmittelbar aufgelöst werden könne – und zwar durch „Pheromone“. Aber natürlich sagen sie weder, welche Pheromone, noch in welcher Konzentration noch, auf welcher Basis die Substanz wirkt. Die Stoffe faszinieren vor allem bisher erfolglose Verführerinnen und Verführer. Die Werbung versucht, zu suggerieren, man müsse sie sich einfach nur ansprühen, dann sie man (oder Frau) unwiderstehlich. Da der Zauberstoff immer als „geruchlos“ beschrieben wird, ist klar, wie er verwendet werden soll: Nimm den Stoff, und du kriegst Frauen herum, soviel du willst.

Es wäre nun schön, wenn man Beweise hätte, denn dann könnte man diese Produkte endlich mit „wissenschaftlichem Hintergrund“ verkaufen. Das wird zwar ohnehin getan, aber der „wissenschaftliche Hintergrund“ ist Pipifax – frei erfunden. Erst neulich ist die Presse darauf hereingefallen: überwiegend, weil sie kritiklos abschrieb, was ihr ein Online-Dating Unternehmen in den Block diktiert hatte.

Nun kommen Wen Zhou und Kollegen ins Gespräch. Was immer sie veranlasst haben mag, an Androstadienon oder Estratetraenol zu forschen, sie haben ein Ergebnis erzielt, das in den USA noch relativ bescheiden als „Die Nase kann das Geschlecht erkennen“ betitelt wurde.

Sensationsmache: Lust auf Sex durch geheimnisvolle Duftstoffe

In Deutschland herrscht, das wissen wir inzwischen, ein weitgehend kritikloser, ja sogar dümmlich-verfälschender Wissenschaftsjournalismus, der vor allem dazu dient, Sensationen unters Volk zu bringen. Und dann wird eben behauptet „Geruchlose Stoffe heben die Sexuelle Lust“ (WELT) oder eben in der Überschrift: „Wie wir unbewusst Lust auf Sex signalisieren“ – klar, das interessiert die Lieschen Müllers dieser Welt. Aber: Das haben die Forscher nicht “herausgefunden“.

Wir fast immer, steht im Text annähernd, was die Forscher wirklich glauben, gefunden zu haben. Anhand von Nur 48 heterosexuellen Personen, davon 24 männlich und 24 weiblich, wollen Sie entdeckt haben, dass eine gegen acht Prozent höhere Wahrscheinlichkeit besteht, anhand sich bewegender Schattenbilder (1) festzustellen, ob es sich dabei um eine Frau, einen Mann oder eine bewusst neutrale gehaltene Person handelt. Die Forscher haben also (wie sie selber zugeben) lediglich festgestellt, dass gewisse körpereigene Stoffe (und nicht etwa explizit zugeordnete „Pheromone“) die Geschlechtszuordnung beeinflussen könnten, und zwar dann, wenn Zweifel bestehen.

Die Wissenschaftszeitschrift „Scientifiic America“ erklärt dazu richtigerweise:

Zoe ist noch nicht in der Lage, zu behaupten, dass es sich bei den beiden Steroiden tatsächlich um Pheromone handelt.

Zudem sei die Quelle beider Stoffe problematisch, denn Androstadienone sei zwar ein Zwischenprodukt des Testosterons, käme aber (wenngleich in geringerer Konzentration) auch bei Frauen vor, während Estratetraenol den Östrogenen zuzuordnen ist, die, nach den Erkenntnissen der Zeitschrift, lediglich im Urin schwangerer Frauen gefunden wurde.

Ein weiterer Kritikpunkt ist sicherlich die hohe Konzentration der verabreichten Stoffe, die in den Presseberichten allerdings nicht näher beschrieben wurde.

Fazit: Wenig Erkenntnisse, reichlich Interpretationen

Das Fazit ist kurz: Im Versuch haben 24 heterosexuelle Frauen unter dem konzentrierten Einfluss eines Duftstoffes, der den männlichen Sexualhormon Testosteron entspricht, in Zweifelsfällen etwa acht Prozent mehr Schattenbilder als Frauen identifiziert als unter dem Einfluss eines vergleichbaren weiblichen Duftstoffes.

Für die Forscher ist zunächst nur ein Beweis erbracht: Es gibt möglicherweise Stoffe, die nicht gerochen werden können, die aber durch die Nase wahrgenommen werden können und dabei einen gewissen Einfluss auf die Wahrnehmung einer schemenhaften dargestellten Person haben.

Dabei taucht eine alte, bereits häufig gestellte Frage auf: welchen Einfluss haben „riechbare“ oder „unriechbare“ Duftstoffe ganz generell bei einem Lebewesen wie dem Menschen, dessen Riechvermögen nicht besonders ausgeprägt ist? Und nun muss man sich diese Szenerie nur noch in einer Bar oder Disco vorstellen, wo eine Fülle von Einrücken auf Augen, Nase und Ohren einströmt.

(1) Die „Schattenfiguren“ sind Point-Light-Walker, die Sie sich hier demonstrieren lassen können.

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