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Die Liebe, ihre Verdünnung und ihre unbequemen Halbschwestern

Für welche Liebe soll ich mich nur schminken?

Für welche Liebe soll ich mich nur schminken?

Die Liebe – sie ist ein Mysterium, in das wir so lange Wasser gegossen haben, bis wir nur noch die letzte Hochpotenz trinken konnten, den wir aus der Homöopathie kennen. Damit Sie das Wort „Potenz“ jetzt nicht verwirrt: Es ist nichts als eine Verwässerung des ursprünglichen Wirkstoffs. Wer heute über Liebe spricht, redet meist über einen einprozentigen Liebesverschnitt.

Die Liebe kommt nicht als Botschaft eines Buchhalters

Liebe als solches ist eine süße Versuchung, der Schokolade nicht unähnlich, die wir als Kinder verschlangen. Auch die Schokolade enthält bekanntlich eine Droge, die unser Hirn ein wenig vernebeln kann. Doch wenn die Pubertät uns überwältigt, wissen wir, dass es einen stärken Stoff gibt, der uns begierig, lüstern oder gar wollüstig macht. Die Liebe kommt nicht in Form des Evangeliums, nicht in der Lesbarkeit eines Schulbuchs, nicht in der guten Ordnung des Buchhalters. Sie kommt vielmehr wie eine Horde wilder Pferde, sie in alle Richtungen laufen – wild, verwegen und schwer zu zähmen.

Die Droge Liebe und die Trennung in „gute liebe“ und „böse Liebe“

Weil die Liebe eine so starke Droge ist, die uns mit ihrer Naturmacht zu Boden wirft, haben sich die moralisierenden Erbsenzähler hingesetzt und die Urmutter des Lustwahns hübsch zerlegt. Da gibt es die gute Schwester, die Menschenliebe, die akzeptable Schwester, die Beziehung und eine ganze Reihe von notfalls geduldeten Schwestern wie die Lust und die Leidenschaft.

Sie merken von der Trennung dieser Welten möglicherweise gar nichts, solange Sie nicht über die Liebe schreiben. Tun sie es aber, so finden Sie nun eine mittelhohe Mauer vor: Da sind die bösen Schwestern, die von der Familie ausgestoßen worden, weil sie nicht in den edelen Kreis der Familie passen. Wollust, ekstatischer Sex, vielleicht gar Lustgewinn durch Erotik, Pornografie oder Prostitution?

Ja, das ist alles „Pfui Teufel“. Wir stemmen uns dagegen, auf den Stand des Animalischen zurückversetzt zu werden, und sind doch zum größten Teil Folger unserer Triebe. Frauen legen sich lüstern auf die Lauer, um Männer abzufangen, ihre Körper zu genießen und sich vielleicht schwängern zu lassen. Männer jagen den Frauen in oft lächerlicher und ehrerühriger Weise nach, damit sie den Nektar ernten können, der zwischen ihren Schenkeln liegt.

Sei anständig – und versäume viel

Wir wurden ermahnt, dies sei nicht die Liebe. Wenn wir die Liebe suchen würden, müssten wir uns eine dieser anständigen Bürgertöchter suchen, die den Wunsch hegten, uns zu heiraten. Wir beackerten vielleicht gar dieses Feld, mussten uns verhöhnen und abweisen lassen, machten uns zum Hofnarren von Klassenschönheiten, und was wir sonst noch alles taten. Die Kunde von wilden Partys auf Flussschiffen und in angeschriebenen Kellern feiner Kaufleute erreichte uns wohl, doch hatten wir ja geschworen, „anständige“ Menschen zu bleiben, die sich nicht von ihren Trieben überwältigen ließen.

Noch heute hörte ich aus manchen Äußerungen „gestandener“ Damen heraus, was sie hindert: das Mütterlein im Ohr, das Wohlanständigkeit predigte. Sie überlegen dann, was „ein anständiges Mädchen“ in der Situation tun würde – aber sie tun nicht, wonach es sie drängt.

Die Ehe, und wenn nicht sie, dann die dauerhafte Beziehung, ist ein hohes Gut – das sehe ich auch so. Aber die totale Hingabe, die Möglichkeiten, sich der Wollust für einige Stunden zu unterwerfen, gehört ebenso zur Liebe. Wenn wir nur Gutes täten, und ließen unsere Leiber brennen, so steht es sogar im Korintherbrief, dann würde uns alle unser Guttun nichts nützen.

Sex oder Liebe oder was denn nun?

Ich werde immer wieder gefragt: Warum schreiben Sie „Liebe“, wenn Sie „Sex“ meinen? Ja, verdammt noch einmal, weil es die „heiße liebe“, die „lodernde Liebe“ ist, die heute schnöden „Sex haben“ heißt, und weil „Sex haben“ nicht Liebe ist, sondern eine zugegebenermaßen lustvolle Sauerei, die man notfalls an- und wegschalten kann.

Wenn Liebe überhaupt einen Sinn hat, dann nicht nur den, Sozialkitt zu sein, wie manche Autoren glauben. Liebe erinnert uns daran, dass wir bedürftige Wesen sind, und nur, wer sich dieser Bedürftigkeit, geliebt zu werden, bewusst ist, der wird auch anderen dieses wundervolle, erhebende Gefühl schenken wollen, geliebt zu werden.

Die Liebe ist nicht möglich, ohne dass wir uns selbst lieben. Das ist eine Binsenweisheit. Weniger bekannt dürfte sein, dass die Liebe der Frauen aus dem Wunsch wächst, die Kraft der Verführung an uns Männern zu erproben (1). Dadurch, so wird behauptet, lernen sie, die eigene Liebeskraft zu entdecken, fortzuentwickeln und zu vermitteln. Wieder sehen wir: Mutter Natur ist klüger als jeder Moralist.

(1) Nach Dr. Alain Héril.

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