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Online-Dating, Kapitalismus und Wahrheit

Der Soziologe Thomas Meyer sagte kürzlich in einem Interview, bei der Partnersuche im Internet kollidiere das romantische, „sinnstiftende“ Liebesideal mit den Algorithmen der Partneragenturen. Oder mit anderen Worten: Der pure Kapitalismus kollidiert mit dem reinen Liebesglück. Als Kronzeugin ruft er dabei die israelitische Soziologin Eva Illouz auf, die seit Jahren ähnliche Behauptungen aufstellt und damit große Popularitätswerte erreichte.

Was ist nun daran wahr, was unwahr?

Ich bin erstaunt, dass der Soziologie das „Liebesideal Romantik“, das tatsächlich im 18. Jahrhundert in der bürgerlichen Gesellschaft entstand, als „sinnstiftend“ ansieht. Immerhin ist der Interviewte ein gestandener Soziologe, und er sollte wissen, wie weit die romantische Liebe und die Realität der Ehen des 18. Jahrhunderts voreinander entfernt waren. Völlig vermessen ist aber die Behauptung, Romantik würde im 21. Jahrhundert „Sinn stiften“ und die Algorithmen würden dem entgegenstehen. Und Algorithmen mit Kapitalismus in Verbindung zu bringen, ist einfach ein Denkfehler.

Der Unsinn vom Kapitalismus in der Partnersuche

Partnersuche bedeutet: An den Markt gehen. Zu Zeiten der angeblichen „Romantik“ tat es zumeist der Vater, der mithilfe der Mitgift versuchte, seine Töchter an den Mann zu bringen. Die Tochter wurde also „verhökert“ – und das oft auf sehr unfeine Art. Wesentliche menschenfreundlicher war da das mittlere 20. Jahrhundert, in der die Töchter selbst „an den Markt gingen“. Dort versuchten sie dann, ihre Schönheit, ihren Liebreiz, ihre sozialen Fähigkeiten und ihre gesellschaftlichen Umgangsformen zu zeigen. Die Frauen unserer Tage versuchen, sich als adäquate Partnerinnen auf Augenhöhe zu vermarkten und übertreiben dabei gelegentlich ein wenig, aber sie benötigen dennoch den Markt. Denn ohne Partnermarkt gäbe es keine Partnerwahl.

Ist analog alles anders?

Auf die Frage, ob die digitale Welt denn nun so völlig anders sei als ihr „analoges“ Pendant sei, antwortete der Soziologe, die läge am Profilbild, das sich immer mehr dem populären Schönheitsideal nähere. Das mag sein, nur erstens ist es nicht so schrecklich neu, dass sich vor allem junge Frauen „schön machen“, und zum Zweiten ist es auch sonst keinesfalls unüblich, sich auf Märkten möglichst positiv darzustellen.

Dabei sehen wir immer Darstellungen, welche sich an die standardisierten Schönheitsideale, wie sie vor allem die Massenmedien transportieren, anlehnen. Man folgt vorfabrizierten Schablonen, um die eigene Haut erfolgreich zu Markte zu tragen, die Konkurrenz immer im Nacken.

Aus solchen Sätzen wird deutlich, dass irgend etwa an der Theorie nicht stimmen kann: „Vorfabrizierte Schablonen“ werden schnell als solche erkannt. Und dabei werden die Menschen, die dahinterstehen, schnell vergessen. Das Ergebnissind erfolglose Treffen oder ONS statt Beziehungen. Und auch dies muss gesagt werden: „Digitale“ Partnersuche gibt’s fast gar nicht. Jeder angeblich digital geknüpfte Kontakt, der sich als sinnvoll erweist, wird einmal zu einem „analogen“ Kontakt.

Haut zu Markte tragen? Nein, die ganze Person

Sicher ist richtig, dass es in den letzten Jahren im sogenannten Online-Dating ein paar Verwerfungen gab. Und ganz sicher ist es so, dass Frau und Mann sich „zu Markte tragen“ müssen – aber eben nicht nur die Haut. Bei Langzeitbeziehungen zählen – wie schon früher – soziale Komponenten mit – und die Zukunftsfähigkeit wird heute so hart geprüft wie ehemals. Und ja – natürlich kann sich jede Suche nach Perfektion zu einer Krankheit entwickeln. Und ebenfalls ja – manche Menschen reisen lieber, als irgendwo anzukommen.

Geht es wirklich um analog oder digital? Geht es um Kapitalismus oder Romantik? Um Markt oder Zufall?

Nicht die Methode zählt, sondern das Ziel

Viele Menschen glauben dies, weil sie es glauben wollen. In Wahrheit geht es um nichts als das Ziel: Einen Partner für einen möglichst langen Lebensabschnitt zu finden, der beiden das Glück verheißt. Und wie das funktioniert, ist den Suchenden meisten – Pardon – scheißegal.

Quelle das Zitats: Westfalenpost

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