Exklusiv: Gegensätze ziehen sich an – Mythos oder Tatsache?
Tatsache am Satz „Gegensätze ziehen sich an“ ist zunächst, dass darin das Wort „Gegensätze“ enthalten ist. Dieses deutsche Wort wird immer dann gebraucht, wenn man glaubt, eine Unvereinbarkeit zweier Zustände entdeckt zu haben und dann versucht, dem einen den anderen entgegenzusetzen. Bei Gegensätzen wie „heiß und kalt“ glauben wir noch fest daran, bei „süß und sauer“ gibt es erste Zweifel, nicht nur wegen der chinesischen Küche, sondern auch, weil der Gegensatz zu einem „süßen Mädchen“ kein „saures Mädchen“ ist.
Die Lieschen Müllers dieser Erde haben sich angewöhnt, Fragen zu stellen wie „Was ist richtig: Gegensätze ziehen sich an“ oder „Gleich und Gleich gesellt sich gerne?“ », und wie so oft, haben angebliche „Forscher“ dieses populistische Thema aufgenommen und versuchen, sie zu vermarkten. Das Internet ist voll von dieser „Alternativfrage“. Nun wissen Kommunikationsexperten, dass Alternativfragen so gut wie ausschließlich zur Manipulation (zum Beispiel von windigen Haustür-Vertretern) eingesetzt werden. Will man vermeiden, in diese Falle zu gehen, so empfiehlt sich, die Textstelle aus dem „Weib von Barth“ zu verwenden, die sinngemäß heißt: „Ich werde keine von beiden Möglichkeiten wählen.“
Gegensätze, die in Wahrheit keine sind
Wir tun gut daran, weder das eine noch das andere zu glauben – denn so merkwürdig es klingt: „Gegensätze ziehen sich an“ ist – auf die Partnersuche angewendet – ein ebenso großer Unfug wie „Gleich und Gleich gesellt sich gerne.“ Zudem spielen beide Sprichworte nicht „in derselben Liga“. Wer wir gezeigt haben, ist „Gleich zu Gleich“ oder „Gleich und Gleich“ eine stehende Redewendung, die bereits im Mittelalter nachgewiesen werden kann, und sie bezeichnet einerseits Standesunterschiede, andererseits aber auch „Pack“, das sich immer wieder zusammenfindet.
Bei den Gegensätzen handelt es sich vermutlich um eine Übernahme aus der Physik: Zwei Magnete sind bestrebt, einander die ungleichnamigen Pole zuzuwenden. Dies wollen manche Autoren auch bei Liebespaaren beobachtet haben, und also wurde die neue Spruchweisheit kreiert: Gegensätze ziehen einander an.
Die Forschung erweist sich als oberflächlich und unlogisch
Wie schon gesagt, sind die beiden angeblich „gegensätzlichen“ Thesen auch Forschungsgegenstand, und man hat dafür wissenschaftlich klingende Namen gefunden. Dort heißt das Sprichwort des Volksmunds inzwischen Heterogamie-Hypothese. Sie unterscheidet sich auffällig von der Homogamie-Hypothese, denn sie besagt, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften (Charaktereigenschaften) gerne in Lust und Liebe miteinander verbinden.
Das Problem an beiden Hypothesen besteht zunächst darin, weder wissenschaftlich begründet werden zu können noch einheitliche Wurzeln zu zeigen, sondern „Äpfel mit Birnen“ zu vergleichen. Die Anhänger der „Gleichheit“ berufen sich überwiegend auf soziale Gemeinsamkeiten, die Anhänger der „Gegensätze“ auf charakterliche Unterschiede.
Frauen und Männer sind gleich und gegensätzlich
Wer hat recht? Oder haben vielleicht beide recht? Oder sind beide im Unrecht? Um dieser Frage nachzugehen, muss man die eigene Denkweise überprüfen: „Was ist für mich Gleichheit?“ oder „Was bedeutet für mich Gegensätzlichkeit?“
Sehen sie, bei der Liebe kommen normalerweise zwei Geschlechter zusammen, die darin gleich sind, Menschen zu sein und darin unterschiedlich, Frau und Mann zu sein. Was zählt nun mehr? Ich vermute, dass Sie die Frage als unsinnig ansehen, und das ist sie auch. Bevor wir als Frauen und Männer aufeinander zugehen, wissen sie, dass sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten haben.
Ausgleich ist immer nötig – Gleichheit ist keine Garantie für die Ehe
Gehen Partnersuchende auf andere Partnersuchende zu, so wissen sie ebenfalls, dass sie niemals auf eine gleiche Person treffen werden, und vielfach wollen sie dis auch gar nicht. Sie stellen sich also darauf ein, eine Person zu treffen, die sich in manchen Eigenschaften von ihnen selbst unterscheidet. Dann versuchen sie, herauszufinden, was ihnen mehr nützt: die Gemeinsamkeiten oder die Unterschiede. Letztendlich stellen sie fest: Es ist sinnvoll, in manchen Eigenschaften gleich zu sein, in anderen aber unterschiedlich, oder viele einfacher gesagt: Es ist sinnreich, einander zu ergänzen.
Gefühle, Geld und Status abzuzocken kann die Beziehung gefährden
Tatsächlich benutzt man den Ausdruck “Gegensätze ziehen sich an“ aber oft für eine ganz andere Situation: Einer der Partner sieht in den gegensätzlichen Eigenschaften des Anderen nicht die Ergänzung, sondern die Erfüllung. Da sucht beispielsweise die in sozialen, emotionalen und vielleicht auch wirtschaftlichen Problemen steckende junge Frau einen gestandenen Mann mit starker Persönlichkeit, der sie aus diesem Sumpf zieht. Mit anderen Worten; beide Partner denken gar nicht dran, sich miteinander zu entwickeln, sondern der eine will vom anderen nur die Eigenschaften „absaugen“, die er selbst nicht hat.
Funktionierende Gegensätze, scheiternde Gleichheit und manchmal toller Sex
Die Praxis der Paare zeigt ohnehin ein ganz anderes Bild: Manche Beziehungen halten trotz der Gegensätze, andere gehen trotz der Gleichheit auseinander. Sind die Gegensätze nicht zu extrem, so hilft durchaus der Wunsch, sich einander anzugleichen oder den Ausgleich miteinander zu finden.
Und falls eine Studienrätin sich wirklich einmal in einen nichtsnutzigen Filou verknallt – dann müssen wir Übrigen das einfach hinnehmen. Wahrscheinlich hatten sie eine Zeit lang tollen Sex – das reicht machen Frauen durchaus eine Weile, um eine „schräge“ Beziehung zu rechtfertigen.
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