Soziale Netzwerke können Fallen sein – und Sie ein Opfer
Die Journalistin Clara Ott (1) schreibt über die Partnersuche, über Online-Dating und vor allem – über FACEBOOK. Sie werden Opfer, indem sie etwas angeblich ganz Normales tun: Spontan sein, witzig sein, etwas frech sein, viel von sich offenbaren und zeigen – und alles sofort ohne nachzudenken. Wenn Sie das tun, und ihr angeblich “soziales“ Netzwerk wie eine Droge konsumieren, werden Sie auch dann zum Opfer, wenn Sie nicht belästigt werden.
Clara Ott (1) rät uns, was auch ich Ihnen rate: Hören Sie auf damit, Leute auf FACEBOOK zu hinterfragen, zu verfolgen und zu verifizieren. Es nützt Ihnen gar nichts, denn wer FACEBOOK in betrügerischer Absicht nutzt oder sonst wie seien wahren Interessen verschleiern will, der kann das jederzeit tun. Oder er kann angeblich widersprüchliche Interessen angeben, die er dennoch tatsächlich hat, nur in Abstufungen, die nur er selbst kennt – dazu rate ich, denn das verwirrt die dahinterliegenden Programme.
In einer Art „Realsatire“ erfahren wir, was falsch ist am „sozialen“ Netzwerk – und was „Wir“ (also möglicherweise manche Partnersuchende) in ihrer krankhaften Hektik ständig tun:
Alles ein riesiger Flirtspass. Wir stupsen, mailen, chatten, surfen, stalken, gucken, knutschen virtuell, mailen über unsere Sehnsüchte, wir schicken Lieblingsvideos und kluge Artikel. Wir beweisen unsere Schlagfertigkeit und unseren Witz in Posts, schönen unsere Selfies, wogegen so mainstreamige 100 Matching-Fragen nämlich reiner Hohn wären. Es zählt nicht, ob wir nachts gern mit offenem Fenster schlafen, Nichtraucher sind oder Akademiker. Alles, was zählt ist: dass wir online sind.
Wobei vielleicht zu bemerken wäre: Kluge Artikel sind die Ausnahme. Das meiste, was auf FACEBOOK erscheint, ist nicht der Rede wert, und die meisten von uns, die dort herumstolpern, sind für andere nicht viel Wert: nur für FACEBOOK und seine Aktionäre. Die verdienen an jedem, der seine wirklichen Interessen offenbart.
Was die Profile in sogenannten „Sozialen Netzwerken“ wirklich gefährlich macht, ist allerdings nicht ihre vermeintliche Aussagekraft – die ist eher fragwürdig. Das Gefährliche ist der innere Zwang, sofort zu reagieren. Clara Ott (1) analysiert:
Und nun? Wo Ihnen dieses Häkchen den Puls in Millisekunden höher fahren lässt, weil dieser neue Mensch gerade online ist und weil er Ihnen schreibt und weil Sie sehen, dass Ihre Nachricht tatsächlich gelesen wurde und sofort jemand darauf antwortet.
Das Universalmittel gegen die „Neztwerk-Pest“: erst Denken und Abwägen
Dagegen gibt es nur ein Mittel – wirklich nur eines: Ob Sie gerade einen Bescheid vom Finanzamt erhalten oder eine Mieterhöhung ins Haus steht oder ob sie einen neuen Menschen kennenlernen wollen – legen sei die Angelegenheit einen Moment zur Seite. Am nächsten Tag schalten Sie dann ihr Gehirn auf „Denken und Abwägen“ – und dann antworten Sie. Der neumodische Begriff dafür heißt „Entschleunigen“. Der Norddeutsche sagt „Abwarten und Tee trinken“, um sich dann zu entscheiden. Sicher gibt es Fälle in denen Sie sich innerhalb von Sekunden entscheiden müssen – aber das erfordert Übung und Professionalität. (Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche). Und in mindesten 98 Prozent der Fälle eines gewöhnlichen Alltags müssen Sie sich eben willentlich NICHT sofort entscheiden und NICHT sofort reagieren. Und soviel kann ich Ihnen noch dazu sagen: Hochdruckentscheidungen werden Ihnen zumeist von Menschen angetragen, die nichts wollen als Ihr Geld.
Tun Sie, was SIE wollen – nicht, was Ihr Netzwerk Ihnen befiehlt
Bezogen auf das Kennenlernen heißt dies: Suchen Sie, wählen Sie, Flirten Sie – aber bitte so, wie SIE es für richtig halten. Denn eines der Geheimnisse erfolgreicher Partnersuche (pst … ich plaudere jetzt mal aus der Schule) besteht daran, Ihre Energien nicht zu zerspanen, sondern gezielt auf wenige Personen zu richten, sie im wirklichen Leben zu treffen und sich dann (möglichst sorgfältig, wenn es möglich ist) für oder gegen sie zu entscheiden. Clara Ott sagt es ähnlich:
Warten Sie mal wieder. Lassen Sie auf sich warten. Und verschwenden Sie Ihre Energie, Ihre Zeit und Ihre Hoffnungen nicht an Menschen, die nicht wie Sie voller Leidenschaft und Neugier darauf brennen, endlich eine neue Liebe aufzuspüren.
Alle, die wir online sind und einmal waren, alle, die wir in Blogs kommentierten, in Foren schrieben und uns an (oftmals getürkten) Online-Debatten beteiligt haben, wissen doch dies: Wir haben es nicht für uns getan, und auch nicht so sehr für die Allgemeinheit, sondern überwiegend für die Betreiber. Und oftmals sind wir öffentlich aus uns herausgegangen, haben unsre Ego bloßgestellt wie in einer Selbsterfahrungsgruppe – und mussten angewidert feststellen, dass anschließend irgendwelche Flachköpfe darauf gekotzt haben.
Wenn Sie sich zu Schade sind, um öffentlich zerpflückt, gestalkt, diffamiert oder umgarnt zu werden – dann wissen Sie jetzt vermutlich, was Sie zu tun haben. Wenn nicht, dann beherzigen Sie doch einfach dies: Lernen Sie Ihren Partner irgendwo kennen, wo sie noch Luft holen und nachdenken dürfen.
(1) Clara Ott schreibt für „Clack“ – wir entnahmen die Zitate einem Artikel der Autorin in der „Basler Zeitung„
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