Zurück und angekommen oder: das Theater Online-Dating
Der Alltag hat mich wieder. Kein weiter Blick mehr über einen riesigen Fjord, kein Nachglimmen der sanften, süßen Erinnerungen an große Panoramen mehr. Lastwagen, die das Haus erzittern lassen, die lästigen Pflastersteine, schlecht angezogene Frauen mit Dutzendgesichtern. Die ortstypische Unfreundlichkeit, die ich beinahe vergessen hatte. Es ist erstaunlich, wie es den Serviererinnen und Verkäuferinnen dieser Stadt gelingt, nahezu allzeit eine „unverbindliche Unfreundlichkeit“ wie eine Fassade vor sich herzutragen.
Das Sommerloch und die plakative Erotik
Noch ist Urlaubszeit. Man merkt es an den weitgehend nichtssagenden Pressemitteilungen, die jetzt veröffentlicht werden. Das Sommerloch besteht also weiterhin – auch wenn die Journaille im letzten Moment noch eine scharfzahnige Schildkröte mit Beißerqualitäten hervorzauberte. Die andere Fraktion berichtete ausführlich über „Sissys“, als Männer, die gerne in die Kleider junger Mädchen schlüpfen und sich überhaupt recht mädchenhaft nehmen. „Submission“ ist eben ein Thema – nicht nur für Frauen, die in ihren Fantasien gerne mal wie eine Dienstmagd des 19. Jahrhunderts behandelt werden wollen. Mehr und mehr rücken auch die Männer in den Fokus, die sich nach den Methoden der Ms. Berkley behandeln lassen wollen. Ja, ja – und steht noch viel bevor. Vom Feuchtgebiet ins Trockengebiet – etwa, wenn eine Dienstmagd aufgefordert wird, den Staub vom Vertiko zu lecken, den sie dort zu beseitigen vergaß.
Wohlanstand ohne Sinn
Ich erzähle Ihnen das, um einmal die Themenvielfalt zu zeigen, die auch in die Partnersuche hineinspielt. Gerade las ich einen (an sich sinnvollen) Artikel, indem eine 48-jährige Frau absolut den Wohlanstand in der Beziehung sucht, sie sich aber andererseits beklagt, seit zehn Jahren „keinen Sex mehr zu haben“. Ja, wirklich – ich höre in meinen Ohren dieses empörte „ich bin doch keine Frau für eine Nacht.“ Sie stimmen zu? Na schön. Wenn sie wissen, dass sie „keine Frau für eine Nacht sind“ – wissen Sie eigentlich auch, was für eine Frau sie sonst sind?
Erstaunlich, dass die Welt immer noch so gespalten ist: Da wird einerseits über Jahre hinweg der „richtige“ Partner gesucht, in der Fehlannahme, dass es den „einzig richtigen“ wirklich gibt. Und auf der anderen Seite wird relativ wahllos geliebt, herumgespielt und gevögelt – was auf Dauer auch aussichtslos und öde ist.
Ja und ich? Ich muss beides abdecken: Denn Online-Dating wie auch ganz normale Partnersuche ist immer noch beides. Einerseits die vorgeblich „seriöse, kompromisslose und ehrenhafte“ Suche nach dem Lebenspartner andererseits die oberflächliche Verabredung zum ONS per Handy – und alles, was irgendwo dazwischen hängt.
Zwischen den Extremen findet die eigentliche Partnersuche statt
Die Liebe, die Lust und der Sex zwischen beiden Extremen ist das eigentliche Thema, das Partnersuche wie Autoren immer wieder bewegt. Machen wir uns doch nichts vor: Nichts ist so öde wie eine „ernsthafte Partnersuche“. Eine Suche, die nicht sinnlich, erregend und manchmal eben auch ein bisschen frivol ist, verdient in Wahrheit nicht einmal den Namen „Partnersuche“.
Offene Partnersuche statt „Deispartentheater“ Online?
Ich habe im Urlaub noch einmal nachgelesen, was in „Modern Dating“ steht, und wie diese offene und fröhliche Form der Partnersuche in „How About We?“ realisiert werden kann. Ich will es vereinfacht ausdrücken: Die Motive der Suche sind Privatsache, das Ziel ist offen. Wenn ich das „Dreispartentheater“ sehe, dass uns allen ja angeblich viel näher steht, dann stutze ich. Da buhlen drei bis fünf Unternehmen um die „ernsthaften“, und pflegen dabei im Grunde eher den Frust der Partnersuche als die Lust daran. Auf der anderen Seite stehen dann die Casual-Dating-Foren, die man wirklich nur mit viel Mühe „schön reden“ kann. Ich bemühe mich redlich, die positiven Aspekte zu sehen, und weiß doch, dass hier viel feine Orangemarmelade auf Spermaergüsse geträufelt wird. Ja und dazwischen? Da findet irgendetwas statt, was man als „alles geht – oder auch nicht“ bezeichnen könnte.
Die Partnersuche im Internet – immer mehr Blödfrauen und Blödmänner?
Die Partnersuche per Internet ist schwieriger geworden, weil immer mehr Menschen mit immer unklareren Vorstellungen in die Portale gelockt werden. Die Fernsehwerbung erreicht vor allem Pesronen, die von Grund auf ideenlos sind und mit Illusionen leben – nicht die kreativen Realisten. Die Berichte von Frauen und Männern, die auf ausgesprochene Blödfrauen und Blödmänner im Internet gestoßen sind, nehmen zu. Ich will ja nicht unverschämt werden, aber es könnte jedenfalls daran liegen, dass immer mehr Blödfrauen und Blödmänner ihre idiotischen Vorstellungen in die Portale einbringen. Ein Architekturliebhaber, der nur an der Architektur weiblicher Brüste interessiert ist? Ein Naturfreund, der in erster Linie am Geschlechtsverkehr ohne Kondom interessiert ist? Ein Liebhaber der französischen Kultur, der darunter Fellatio versteht? Das muss ja auf Dauer abschrecken. Dass es sich hier um Beispiele von Männern handelt, ist reiner Zufall. Frauen wissen oft nicht einmal, was sie überhaupt angeben sollen, um sich zu charakterisieren – sie sind dann „nett und natürlich“, was nichts heißt als: „völlig belanglos“.
Zurück auf Null – offene Suche statt „etwas Bestimmtes“ suchen?
Noch einmal zurück auf null: Kennenlernen ist ein nach hinten offener Prozess. Wer sich gleich festlegt, dass nur „etwas Bestimmtes“ geht, ist entweder pervers oder borniert. Es ist gut, halbwegs zu wissen, was man auf keinen Fall will – aber es ist ausgesprochen dämlich, sich auf die eigenen Vorstellungen zu fixieren und dabei mit Scheuklappen durch den Partnermarkt zu laufen. Ich jedenfalls würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen an „Modern Dating“ halte würden als an die erzkonservative „ernsthafte Partnersuche“.