Online-Dating – statt Partnern nichts als eine lange Nase?
Die Presse wird nach und nach deutlicher, wenn sie über Online-Dating schreibt. Hieß es früher noch, dass „manche Anbieter mit unseriösen Methoden arbeiten“, so wagte der General-Anzeiger jetzt, diesen Satz zu schreiben:
Inzwischen stellte sich heraus, dass die Anbieter nicht durchweg mit seriösen Methoden arbeiten, dass es vorrangig um schnelle Geldabzocke und den Profit … geht.
Der seriöse „Bonner General-Anzeiger“ schreibt gnadenlos, was andere nur andeuten:
Die Schummelei nimmt zu. Da wird getrickst bei Anmeldebestimmungen, werden Testaccounts angeboten, die am ersten Tag nach den 14 Tagen Probe gleich das volle Jahres-Abo für 478,80 Euro zur Folge haben. Überhaupt gibt es nur über Monate laufende Abos, die, wird nicht gezahlt, mit Mahnungen, Inkasso-Forderungen und im Ernstfall vom Gerichtsvollzieher geahndet werden.
Sicher – da werden die Branchendienste wieder einwenden: „Ja, dann lesen Sie doch bitte die AGB, bevor Sie online unterschreiben.“ Doch das ist nicht der Punkt. Kunden oder Klienten geben Unternehmen einen Vertrauensvorschuss, der auch beinhaltet, nicht auf die billige Tour abgezockt zu werden.
Eine andere Unsitte, die leider niemals bewiesen werden konnte, weil die betroffenen Unternehmen „mauern“, ist der Einsatz von Lockvögeln. Auch der General-Anzeiger bleibt hier im Konjunktiv:
Inzwischen sollen Portale Lockvögel beschäftigen, die unter falscher Identität flirten, sich deshalb nie auf ein Treffen einlassen.
Teilweise haben die Benutzer – zumeist unwissend – dies mit den AGB sogar gut geheißen. Insbesondere im Bereich des Sex-Datings herrschen unerträgliche Zustände – hier wird ein unverschämtes Geschäft mit den Sehnsüchten und Bedürfnissen junger Männer betreiben, denen vorgegaukelt wird, dass eine menge „heiße Miezen“ nur daraus warten, ins Bett zu hopsen.
Ein ständiger Kritikpunkt sind auch die „psychologischen Partnergutachten“, die bestenfalls eine teuer erworbene intellektuelle Spielerei sind. Ich habe häufig darauf hingewiesen, dass sie dennoch einen Sinn haben könnten – aber eben nicht im Sinne verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Zwei Punkte gefallen mit allerdings nicht am Artikel des General-Anzeigers. Zum einen ist es die generelle Kritik an Fakten. Denn selbstverständlich ist der partnersuchende Mensch der Mathematik, dem Markt und anderen eher unromantischen Komponenten unterworfen. Man wird nicht zur austauschbaren Variablen, wenn man sich selbst nichts als solche ansieht – aber man wird unweigerlich zum Marktteilnehmer, wenn man einen Partner sucht. Übrigens ist das seit Jahrhunderten so, hat also nichts mit Kapitalismus zu tun.
Das Zweite, was mir nicht gefällt, ist die Person, die als Aufhänger verwendet wird: Eine 48-jährige, die einen halbwüchsigen Sohn hat und nach Eigenangaben „den letzten Sex mit Ende 30 hatte“ ist schwer an den Mann zu bringen – in welcher Realität auch immer, und also auch im Internet. Das Verhalten deutet darauf hin, dass diese Frau ganz bestimmte, eher unrealistische Ziele verfolgt. Das „Sehnen nach der großen Liebe“, wie im Artikel beschreiben, ist ja gerade die Falle, die uns hindert, „das kleine Glück“ zu versuchen.
Ansonsten aber – es wurde einmal Zeit, dass in einem Zeitungsartikel Tacheles geredet wird. Wenn Internet-Dating zur bloßen Geldmache verkommt, dann ist vorauszusehen, wann die Kunden ausbleiben. Im Moment bekommt mancher Kunde eine lange Nase gedreht – aber irgendwann wird es auch die Unternehmen treffen, die Geldmache von Kundenzufriedenheit setzen.