Blind Dates und Partnersuche: ist Sex wirklich so wichtig?
Es gab Zeiten, in denen Paare heirateten, damit sie endlich Sex haben duften. Die Voraussetzungen: Eine Gesellschaftsordnung, die ledigen Menschen Sex verweigerte und eine eine Gesetzgebung, die Wohnungsgebern daran hindert, an unverheiratete Paare zu vermieten. Hinzu kam noch die Erziehung, die „Sex an sich“ als etwas Schmutziges darstellte – und die Angst vor Schwangerschaften. Sex war also ein rares Gut. So lange ist es noch gar nicht her- erst gut 50 Jahre. Je nach Einstellung der Familie, aus der man kam und der Umgebung, in der man lebte, können es auch weit unter 50 Jahren sein.
Frauen: manche taten „es“, aber sie waren rar
Entsprechend dieser Einstellung verhielten sich auch die jungen Frauen. Man konnte sie beinahe katalogisieren: nach der Herkunft, der Kleidung und vor allem nach dem Verhalten. An der Spitze standen die Schönheiten des Bürgertums, die sich selbst als Kostbarkeiten empfanden – und die auch dazu erzogen wurden, sich so teuer wie möglich am Heiratsmarkt zu verkaufen. Am unteren Ende standen Frauen aus einfachen Familien, die ein Handwerks- Handels- oder Pflegeberuf ausübten. Nach damaligen Kriterien waren dies „Jungmädchenberufe“, die man nach der Eheschließung bald aufgab: Friseusen, Kontoristinnen, Verkäuferinnen und Krankenschwestern.
Sexverhalten in der Vergangenheit – Drang und Krampf
Sex war wichtig, ohne Zweifel, und er war rar. Die jungen Männer suchten sich Sex-Ersatz, meist in Form häufiger Masturbation, während die jungen Frauen aus besseren Kreisen selbst dies für „schmutzig“ hielten. „Selbstbefleckung“ war einer der Begriffe, die oft benutzt wurden. Sich „rarmachen“ war eines der Mittel, das jungen Mädchen verordnet wurde: „Willst du was gelten, mach sich selten.“
Damals in Deutschland: ein Sexleben voller Peinlichkeiten
Das Liebesleben der jungen Frauen und Männer war durchsetzt von Peinlichkeiten: Man schenkte einander (oft widerwillig) neben Zungenküssen vor allem „Petting“, jene unsägliche Methode, bei der man alles tun durfte, außer Geschlechtsverkehr auszuüben. Dem Mann fiel die Aufgabe zu, die Frau zu bedrängen. Die Frau gewährte ihm im Gegenzug bei sehr viel Mühe und schönen Worten huldvoll Berührungen, wobei man „Berührungen über und unter der Kleidung“ unterschied. Wie viel eine Frau zu schenken bereit war, wurde wiederum an der Art der Kleidung, insbesondere der „Wäsche“ bemessen.
Gibt es heute noch „Sex als Lohn für Wohlverhalten“?
Wenn Sie dies heute als Unbeteiligte lesen (dann sind Sie vermutlich unter 45) lesen, klingt es wie ein Märchen aus einer anderen Welt. Heute? Ja, heute – ist Sex da wirklich noch so wichtig, dass er ständig allgegenwärtig sein muss? Ist wirklich noch eine Frage, wann und wie man sich gegenseitig mit Sex belohnt?
Viele Dinge haben sich verändert – aber eben nicht völlig. Wir leben in einer Zeit, in der alte und neue Liebeskulturen parallel existieren, was nicht weiter schlimm ist. Reibungen entstehen zwischen zwei Partnersuchenden nur dann, wenn Angehörige der alten „Sexpreziosen“-Kultur und solche der „Sexoptions“-Kultur aufeinandertreffen. Üblicherweise trifft dies zu, wenn Frauen, die lange verheiratet waren, wieder auf den Liebes- und Partnermarktmarkt gehen. Indessen zeigen uns neuere Beispiele, dass es auch umgekehrt sein kann. So werden partnersuchende Männer immer häufiger bei Blind Dates mit dem Angebot überrascht, den weiteren Verlauf des Abends im Bett zu gestalten.
Zwei Kulturen in einer Person – Mutter Stimme im Ohr
Besonders kritisch wird die Sache allerdings, wenn „zwei Seelen, ach, in ihrer Brust“ wohnen – selten in „seiner“ Brust, wie ich anmerken darf. Denn die alten Muster („mach dich rar, Mädchen“) konkurrieren heute bei vielen Frauen durchaus mit dem Wunsch „nimm ihn dir, bevor ihn eine andere entdeckt.“ Ebenso steht die Enthaltsamkeitsblockade („schenk dich doch nicht weg“) in Wettbewerb mit der Gelegenheit, die Wollust auszuleben: „Hier ist ein Mann, und ich bin bereit – also sollte es jetzt sein.“ Viele Frauen, die bis in die 1970er Jahre hinein im Teenageralter waren, hören heute noch Mutters warnende Stimme im Ohr.
Vorbereitet sein – aber nicht ständig an die Sexoption denken
Ich denke, eine der Methoden, solche Klippen erfolgreich zu umschiffen, ist Sex nicht wirklich wichtig zu nehmen. Seien Sie „natürlich“ darauf vorbereitet, indem Sie Kondome zum Date mitnehmen und einen gepflegten Körper in möglichst hübscher Verpackung präsentieren können. Doch wenn dies getan ist, vergessen Sie Sex einfach und konzentrieren Sie sich stattdessen darauf, ihre Person zu präsentieren und möglichst viel Licht auf Ihre guten Eigenschaften fallen zu lassen. Selbstverständlich sollten Sie dabei auch die Person Ihres Partners ergründen. Ich rufe Ihnen gerne in die Erinnerung zurück, dass Sie – und nur Sie – dafür verantwortlich sind, was bei diesem Treffen und danach mit Ihnen geschieht.
Aus diesem Grund ist es auch völlig gleichgültig, wer wann und wie den Vorschlag macht, die Nacht miteinander zu verbringen. Wenn sie es wollen, dann tun Sie es – und wenn nicht, dann lassen Sie es bleiben. Die Sexfrage sollte nicht ihr Leben beherrschen, sondern Sie sollten die Sex-Frage beherrschen – das ist eigentlich alles, was ich Ihnen vorzuschlagen habe.