Dating: Spielen, sich anbieten oder sich verweigern?
Das konservative Modell der Partnersuche lässt sich einfach beschreiben:
Der Mann geht an einen Ort, an dem sich Frauen befinden. Dort versucht er, auf sich aufmerksam zu machen. Gelingt ihm dies, so versucht er, eine der Frauen auf sich aufmerksam zu machen. Ist ihm auch dies möglich, so versucht er nun, diese Frau auch erotisch zu beeinflussen. Das Ziel kann sein, langfristig eine Lebenspartnerin zu suchen oder heute noch mit dieser Frau schlafen („Sex zu haben“).
Das alte Spiel mit der Verführung lebt weiter
Bei den meisten Frauen, die sexuell eher zurückhaltend und konservativ erzogen wurden (was bei Frauen über 40 häufig noch zutrifft), tritt nun ein Mechanismus ein, den ich gerne als „Spiel“ bezeichne. Der Mann versucht, die Barrieren möglichst leicht zu überwinden, die auch zwischen erotisch motivierten Fremden üblicherweise noch existieren. Er glaubt dabei, einen Prozess der Verführung einzuleiten, der immer dann vorzüglich gelingt, wenn die Frau innerlich in das Spiel einwilligt. Dem Mann fällt dabei die Rolle des „Drängenden“ zu, der Frau die Rolle der „Zögerlichen“. In diesem Spiel bedrängt der Mann die Frau, die ihn nur deshalb zurückweist, um die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen zu testen. Das Motto schient dabei immer zu sein: „Du kriegst mich – aber nur, wenn du dich auch anstrengst.“
Das Ende ist bei derartigen Begegnungen zwar offen, doch wenn gegenseitiges Interesse besteht, ist die Chance auf ein Frühstück zu zweit am Morgen nach dem Date durchaus realistisch.
Die Partnersuche sollte Freude bereiten
Ich bin der unverbrüchlichen Überzeugung, dass „Flirten“, „Dating“ oder „kennenlernen“ Freude machen sollte, und wenn jemand ein Spiel aus seiner Suche macht, so hat er voraussichtlich Spaß und Erfolg. Ich denke, jeder Mann weiß aus der Praxis, dass die Frau das Spiel in Art und Länge bestimmt, weil sie letztendlich entscheidet, wer sich in ihr soziales Leben, ihre Gefühle und ihren Körper einschleichen darf.
Das Kennenlernen per Blind Date hat aber inzwischen drei Varianten, zu denen das Modell nicht passt.
Fall Machtverlagerung: Frauen verführen von der ersten Sekunde an
Die erste Variante besteht darin, dass die Frau das Spiel nicht unterschwellig auf den Punkt bringt, sondern von vornherein selbst steuert. Typische Situation: Sie hat nie wirklich Zeit für die „komplexe“ Partnersuche, , aber für diese Nacht hat sie die Kinder gut untergebracht, den Champagner kaltgestellt und sich so aufgemotzt, dass die Verführung einfach gelingen muss. Wird der Mann nicht wirklich initiativ, so lenkt sie ihn eben aus eigener Initiative zielsicher in ihr Bett – und möglicherweise auch in eine Ehe.
Fall barrierefreier Sex: Es ist Sex und sonst gar nichts
Die Nummer zwei, die recht neu ist, besteht darin, nahezu barrierefrei erotische Kontakte zu suchen. Das Stichwort heißt „Casual Dating“, und diese neue Form von Blitzkontakten wird von Frauen wie von Männern gleichermaßen gesucht und gefunden. Diese neue Form mag bei vielen Personen Bedenken hervorrufen, sie wird aber immer populärer, vor allem unter jungen Managerinnen, die behaupten, keine Zeit für Beziehungen zu haben. Sind sich beide einig, dass Sex das Ziel ist, müssen sie einander nicht lange umgarnen.
Fall romantische Beziehung: Vorsicht vor zu großer Spannung
Die dritte Variante gehört eher in Großmutters romantisches Bücherregal. Sie geht von Frauen aus, die „eigentlich“ einen Mann wollen, „aber bitte nicht so“. Sie glauben, dass die Beziehung sich nach dem Schema des Bürgertums der 1950er Jahre entwickeln müsste. Man trifft sich zunächst sehr gesittet, unternimmt dann kleine, harmlose Ausflüge miteinander, und gestattet dem Mann nach längerer Zeit, auch einmal sexuell aktiv zu werden. Das ist im Prinzip nicht falsch, kann aber nur noch selten durchgehalten werden. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass bei solchen Begegnungen über sehr lange Zeit ein Spannungsbogen aufgebaut wird, der sich, ob ausgesprochen oder nicht, um die Frage dreht: „Wann werden wir miteinander schlafen?“ Das Problem dabei besteht darin, dass diese Frage nicht über lange Zeit „spielerisch“ behandelt werden kann, sondern in irgendeiner Form beantwortet werden muss.
Nicht beklagen, sondern der Zeit folgen, in der man lebt
Anhängerinnen der bürgerlich-romantischen Variante beklagen sich relativ häufig darüber, dass Männer ungeduldig sind und „zu schnell zum Ziel“ kommen, wollen – und oftmals nicht einmal „wirklich“ eine Beziehung zu wünschen. Das mag einerseits verständlich sein, man muss jedoch andererseits berücksichtigen, dass viele Menschen (nicht ausschließlich Frauen) versuchen, ihr Jugendverhalten in höherem Alter zu kopieren, was sich meist fatal auswirkt. Die Zeit hat sich inzwischen geändert und mit ihr die Menschen in der Umgebung, und von einem reifen Menschen verlangt man schnellere und zielsichere Entscheidungen als von einem Jugendlichen. Insofern ist es besser, sich der Zeit und den Umständen anzupassen, als diese zu beklagen.
Bild: Der Illustrator Rafael Maria de Soto y Hernandez war bekannt für seine Illustrationen zu Kriminal- und Kriegsromanen mit erotischen Bezügen.