Was einer Frauenrunde zum Online-Dating einfällt
Ein soeben gelesener Artikel im „Wochenblatt“ zeichnet sich dadurch aus, dass er wenigstens ehrlich ist: Eine Gruppe von Frauen unterhält sich über die Möglichkeiten und Grenzen von Online-Dating und zieht dabei einen Vergleich zum „konventionellen Dating“.
Dabei werden nicht, wie sonst üblich, nur Vorurteile und Klischees bedient, sondern es kommen auch Sätze vor, die lesenswert sind:
Bevor man den Typen dann aber erst einmal eine Chance gibt, und es überhaupt soweit kommt, dass ein Date vereinbart wird, sortiert man die Kandidaten oft vorschnell aus.
Ganz stichhaltig ist das Argument allerdings nicht, denn auch im „wirklichen Leben“ sortiert man aus, indem man nur Plätze aufsucht, an denen man ähnliche Interessenlagen erwartet. Die Vorauswahl ist also ebenfalls gegeben, nur funktioniert sie anders.
Im Artikel wird aber etwas anderes deutlich: Die Wünsche der beteiligten Frauen stimmen mit den Realitäten nicht überein. Die Autorin jedenfalls ist der festen Überzeugung, es sei „das reine Glück, jemanden zu finden, der sich als der einzig Wahre entpuppt.“
Darin ist schon zweierlei falsch: Erstens gibt es „den Richtigen“ nicht, sonder nur „einen der Möglichen“, und zweitens existiert das „reine Glück“ in der Partnersuche nicht – außer vielleicht bei Gustav Gans, dem Glückspilz von Entenhausen.
Auch sonst bin ich skeptisch, zumal dann doch wieder ein Klischee bedient wird:
Wie die Wissenschaft längst weiß, entscheidet ja der Eindruck der ersten Sekunden, ob zwei Menschen überhaupt zusammenpassen.
Was die „Wissenschaft längst weiß“, kann ebenso leicht widerlegt werden: Die ersten Sekunden einer Begegnung entscheiden darüber, ob man innerlich „flüchtet oder standhält“, und sie hat damit in der Tat Einfluss auf den weiteren Verlauf der Begegnung. Das bedeutet nun aber noch keinesfalls, dass beide „zusammenpassen“, sondern reicht oft höchstens für einen ONS oder eine Sechswochenbeziehung.
Es mag ja sein, dass „Frauen anders denken“ – aber ich entdecke doch immer wieder Reste bürgerlicher Romantik in weiblichen Beiträgen zum Thema Dating, die man kaum als im Kern „geschlechtsspezifisch“, bezeichnen kann.
So wird uns wohl das Thema „Macht Online-Dating die Romantik kaputt?“ noch so lange erhalten bleiben, wie die bürgerliche Romantik fortgeschrieben wird – sei es im Herzen oder in Kitschromanen.