Dem Dating-Trend auf der Spur … Apps, „soziale“ Netzwerke oder was?
Sie werden sicher bemerkt haben, dass ich in diesem Jahr 2013 auf eine Prognose zum Online-Dating verzichtet habe. Einer der Gründe liegt darin, dass der Begriff „Online-Dating“ nicht mehr ein Teil der Kennenlernkultur ist, sondern inzwischen ganz und gar ein Wirtschaftsfaktor.
Wirtschaft ist nichts Schlechtes, Kommerz auch nicht – aber was dabei herauskommt, wenn man den Sinn des eigenen wirtschaftlichen Handelns verkennt, kann jederzeit anhand der Lebensmittelskandale nachvollzogen werden.
Mit anderen Worten: „Online-Dating“ ist ein Wirtschaftsfaktor, der unter anderem auch etwas mit der Partnersuche zu tun hat, der aber auch unter ganz anderen Bedingungen betrachtet werden kann. Beispielsweise als ein Geschäft, das sich längst verselbstständigt hat.
Umgekehrt gesehen ist die Partnersuche ein kultureller Prozess, der unter anderem auch etwas mit Online-Dating zu tun haben kann. Er kann aber auch unter völlig anderen Bedingungen gesehen werden kann – zum Beispiel als Teil des sozialen Wandels.
Was ist eigentlich wirklich passiert in den letzten Jahren?
1. Kennenlernen und Netzwerke – kein Selbstzweck.
Das kennenlernen an sich ist kein Selbstzweck – so denken viele, und sie lernen sich deshalb dort kennen, wo es eine „gewisse Nachbarschaft“ gibt. An diesem Markt persönlich anwesend zu sein (Schule, Studium, Beruf, Verein) ist nach wie vor sinnreich. Hinzugekommen sind aber „virtuelle Netzwerke“, sie sich gerne „soziale Netzwerke“ nennen. Sie verdienen ihr Geld in der Regel damit, die Interessen ihrer Benutzer zu vermarkten. Kein Zweifel: Daraus entstehen gelegentlich Beziehungen – es wäre ja auch völlig absurd, anzunehmen, dass dabei keine Beziehungen entstehen würden.
2. Kennenlernen als Absicht, eine Partnerschaft einzugehen.
Die eigentliche Domäne des „bewussten“ Kennenlernens war schon immer an Zeitfenster und Orte gebunden. Das Zeitfenster war in der Regel klein: Zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr musste der Partner gefunden werden, möglichst sollte man bis dahin verheiratet sein. Der Ort waren Tanzveranstaltungen, Jugendklubs, Interessengruppen und der Platz, an dem man ausgebildet wurde. Hier hat Online-Dating, vor allem das „ganz gewöhnliche“ Onlinedating mit freier Suche seinen Nachfolger gefunden. Das bleibt so, wird aber ergänzt durch weitere Technologien. Wenn jetzt jemand „Smartphone“ sagt, möchte ich ihn daran erinnern, dass ein Smartphone nur ein Datenendgerät ist. Das hat noch nichts mit „Mobile Dating“ zu tun. Selbstverständlich ersetzt Online-Dating aber nicht die freie Suche (siehe Punkt eins).
3. Kennenlernen, um eine späte feste Verbindung zu beginnen.
Unsere Zeit kennt viele späte Ehen und auch viele Trennungen und Scheidungen im Alter ab 40 Jahren. Diese Tatsache hat die Kultur des Kennenlernens völlig verändert. Was früher Heiratsgesuche bewirken sollten, wird heute zum allergrößten Teil im Online-Dating versucht. Die Möglichkeiten sind begrenzt, die Suche ist überall ähnlich – nur drei namhafte Unternehmen haben die „kritische Größe“, um wirklich sinnreiche Kontakte zu vermitteln – mit einer Erfolgsquote zwischen 30 und 40 Prozent. Hinzu kommen noch vereinzelte private Heiratsannoncen und die wenigen verbliebenen Ehevermittler. Hier ist ein deutlicher kultureller Wandel in Richtung Online-Dating zu spüren.
4. Kennenlernen als Teenager-Spiel.
Wenn es auf Teenager begrenzt wäre, würde kein Mensch davon reden – es wäre eben ein „Hihi“-Geschäft wie so vieles, was mit den Teenagern zusammenhängt. Datingapps für Mobiltelefone mit Verortung sind zwar höchst gefährlich, aber dennoch beliebt, und auch die „Apps“ für sogenannte „soziale“ Netzwerke sind kaum mehr als ein Teenager-Spielzeug. Die Spieler-Kultur mit dem „Dating“ reicht allerdings weit bis in die Reihe der 30-Jährigen. Zum Teil hat dies etwas mit „am Markt anwesend sein“ zu tun (siehe Punkt eins) zum anderen Teil ist es ein fragwürdiges und gefährliches Spiel mit dem Abenteuer.
5. Kennenlernen, um Sex zu praktizieren.
Das jüngste Kind der Dating-Branche, sozusagen der Bankert unter den Dating-Methoden. Schnell und sicher zu einem gleichgeschlechtlichen Liebhaber zu kommen, der nicht viel fragt – das war eine der ersten Intensionen der „Macher“ und bislang ihr größter Erfolg. Ein anderer Teil der Branche wandte sich zunächst heterosexuellen, notgeilen Männern zu, die nach einer Frau für eine Nacht lechzten, die sie aber nicht bezahlen wollten. Das ist zu einem großen Teil noch heute so, nämlich dort, wo sich Dating-Seiten explizit an Männer wenden, die ihre Hose nicht geschlossen halten können. Daneben ist eine Casual-Dating-Kultur entstanden, die auch Frauen einschließt. Was wirklich einmal daraus entsteht, ist noch nicht absehbar, jedoch verlagert sich ein Teil der Singlebörsen-Aktivitäten in diesen Bereich – zulasten der „offenen“ Singlebörsen.
Die Prognose
Wenn ich in nicht-wirtschaftlichen Kategorien denke, und „Kennenlernen“ als Teil der menschlichen Kultur betrachte, dann hat Online-Dating längst seinen Zenit überschritten. Wenn man von „Abschleppen“, „Spontansex“, Teenagerspielchen und Prostitution einmal absieht, bleibt letztlich nur die „Online-Partnervermittlung“ übrig, um das zu tun, was das Ziel menschlicher Kennenlern-Kultur ist: Sich dauerhaft zu binden. Die „normale“ Singlebörse ist immer noch eine Art „interessanter Spielplatz“ für diejenigen, die sich zu jung fühlen, um eine feste Beziehung einzugehen aber bereits zu „gediegen“, um sich als Bettbeziehung zu vermarkten. Ob sich „seriöses Casual Dating“ als Kultur durchsetzt, hat nichts damit zu tun, ob es wirtschaftlich erfolgreich ist. Die Frage, die dahinter steht, ist: Wollen Frauen auf Dauer selbst Lustobjekt sein oder sich männliche Lustobjekte für eine begrenzte Zeit leisten? Wie wird dies die Gesellschaft sehen? Wird sie es goutieren oder als despektierlich abwerten?
So gut wie alles, was Sie sonst über Online-Dating hören, fällt in den Bereich, in den auch Frauenzeitschriften, Männermagazine, Teenagergazetten, Schlagerwettbewerbe und dergleichen fallen: Es ist Unterhaltung.