Timeline – Dating-Behauptungen von BILD und eDarling
BILD fragt, ob „wir“ uns tatsächlich an die „ganzen“ Datingregeln halten, die „wir“ aus TV-Serien, Filmen und Ratgebern kennen, vergisst aber dabei zu sagen, dass dieser ganze Unfug aus US-Serien und US-Ratgebern kommt, sodass „wir“ davon überhaupt nicht betroffen sind.
Nun wäre BILD nicht BILD, wenn man das falsche US-Bild vom Dating nicht mir einem ebenso fragwürdigen Umfragebild aus Deutschland übertünchen würde. Bild fragt also: „Halten „wir“ uns an die Regeln?“, kommt zu dem Schluss, dass wir es nicht wirklich tun, und verbreitet eine „Umfrage“ von eDarling (eine deutsche und international tätige Partneragentur). Die Ergebnisse wurden unter 793 Mitgliedern der Agentur ermittelt – wie, wurde nicht näher beantwortet.
Kernfrage war, wie die denn die „Timeline“ („Zeitschiene“) einer Beziehung im Durchschnitt verläuft. Vergessen hat man dabei von vornherein, dass es bei Begegnungen zwischen den Geschlechtern keine Timeline gibt, also eine Abfolge von bestimmten Terminen, zu denen etwas getan wird. Hinzu kommt: Was man täte und was man wirklich tut, sind zweierlei Stiefel.
So bleibt der Liebepur nur, die Zahlen zu bezweifeln, vor ihnen zu warnen und vor allem, sie nicht als Vorbild zu nehmen.
Der Tag des Blind Dates – völlig überschätzte
Die wenig akkurate Betrachtung beginnt schon beim „ersten Date“. Die Kernfrage ist ja, was denn ein „erstes Date“ ist – und hier beginnt schon das Problem: Die „ersten Dates“ (Blind Dates) bedeuten zumeist gar nichts, es sei denn, man hätte einen Treffer gezogen. Das passiert (je nach Wünschen und Vorauswahl) zwischen einem von drei Dates und etwa einem von sieben Dates – in vielen Fällen gibt es auch deutlich schlechtere Quoten. Die wahrscheinlichste Folge eines Dates ist also, dass gar nichts mehr passiert.
Der Tag danach – wie wichtig ist er wirklich?
Am „Tag danach“ ruft man nur dann an, wenn man sich sicher sein will, dass alles, was man am Tag zuvor besprochen und versprochen hat, in guten Händen ist: mit anderen Worten, wen man die aufkeimende Beziehung etwas absichern will. Der eigentliche Satz „Treffen wir uns wieder“ wird besser schon beim ersten Date angesprochen, besser noch ausgesprochen und nicht am nächsten Tag telefonisch. Tipp: Machen Sie Ihr Date auf keinen Fall vorher oder nachher öffentlich – lassen Sie FACEBOOK leer wie eine Wüste. Privates muss privat bleiben.
Das zweite Date – Knutschen oder was denn?
Etwas lächerlich sind die Aussagen über das „zweite Date“. Bei diesem Date will man Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen zum ersten Mal überprüfen und nach Möglichkeit absichern. Wenn man natürlich bewusst Unfug verbreiten will, kann man nach dem „Knutschaktor“ fragen – das tat eDarling. Wobei zu bemerken wäre: Erwachsene „knutschen“ nicht beim zweiten Date, weder zu 38 Prozent noch überhaupt, sondern sie küssen einander. Die angeblichen 50 Prozent, denen der Kuss beim zweiten Date „zu früh“ kommt, sind nach meiner Ansicht entweder auf dem falschen Schiff oder noch nicht ganz raus aus der Pubertät (die endet mit ca. 25Jahren). – Zärtlichkeiten gehören zum Kennenlernen, und Küsse sind nicht so intim, dass man sie beim zweiten Treffen meiden sollte.
Das dritte Date – ins Bett oder häkeln lernen?
Beim „dritten Date“ haben die Befragten entweder den Fragenden die Hucke vollgelogen oder sie waren sonst wie befangen. Die 93 Prozent der Frauen, denen es noch zu früh war „ich liebe dich“ zu sagen, genießen mal den Schutz der Erwartung, dass es der Mann zuerst sagen sollte. Doch völlig absurd wird die Befragung, wenn man hört, dass es 46 Prozent der Frauen und 69 Prozent der Männer beim dritten Date „noch zu früh“ für Sex ist. Jedenfalls wissen wir hier bei der Liebepur, dass ein „Drittes Date“ in der Regel auch zur körperlichen Besiegelung der neuen Beziehung führt – wer zu spät kommt, den bestrafen Amor und Venus mit Neuorientierung. Natürlich gibt es für Intimitäten keine Regel, doch sagt die Erfahrung, dass Frauen, für die sich der Mann sexuell nicht genügend interessiert, nach anderen Möglichkeiten Ausschau halten. Männer übrigens auch. Manchmal fragen wir uns hier, warum die Befragungsschnitzer nicht „Häkeln lernen“ als Option haben. Die möglichen Alternativen zum Lustgenuss waren „eine politische Diskussion führen“ und zu sagen „ich liebe Dich“. Beides hat andere Wertigkeiten als der Geschlechtsverkehr.
Für liebende Paare gibt es keine sinnvollen Statistiken
Es ist klar, dass sich alles ein wenig „glättet“, wenn ein paar Monate vergangen sind. In der Regel entscheidet sich zwischen dem dritten und sechsten Monat, so Liebepur-Erfahrungswerte, ob eine Beziehung voraussichtlich hält.
Wir als Liebepur können also nur davon abraten, irgendwelche Daten für ernst zu nehmen, die zwischen dem ersten und dem sechsten Monat des Kennenlernens liegen. Die Rangfolge orientiert sich danach, wie die Bedürfnisse sind, die man aneinander hat, und wie man sie einander erfüllen will – erst danach kommen die sozialen Bedürfnisse, also die Außenkontakte des Paares. Ganz am Schluss stehen dann das gemeinsame Geld, die gemeinsame Wohnung und die Frage, wann man gemeinsame Kinder möchte. Generell ist es etwas vermessen, einen „Durchschnitt“ ermitteln zu wollen, wann welche sozialen Ereignisse anstehen. Es kommt sehr stark auf das Alter, den Bildungsgrad und auch auf die Entfernung an, die man überwinden muss, um zueinander zu kommen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass so selten gefragt wird, ab welchem Monat man daran denkt, für den Partner etwas aufzugeben, beispielsweise Wohnort, Arbeit oder Freundeskreis – die ist gerade beim Online-Dating durchaus eine berechtigte Frage.
Die Art, Statistiken zu ergeben und zu präsentieren, die jetzt von eDarling durchgeführt und von BILD veröffentlicht wurde, kann kaum als verbindlich angesehen werden. Es erinnert stark an die plakativen Vorbilder aus den USA, die mit ähnlichen „Infografiken“ punkten wollen. Immerhin haben sogar BILD-Leser erkannt, dass sie sich in den Daten kaum wiederfinden können. Die sogenannte „Timeline“ wird bei der Liebepur mit Kopfschütteln betrachtet – und das ist noch sehr milde ausgedrückt. Im Endeffekt kann man dies sagen: Es gibt keine Regeln, keine typischen Paare und keinen Durchschnitt. Es gibt letztlich nur Menschen, die tun und lassen, was sie wollen – und das ist wirklich gut so.
Bild: Illustration zu einem erotischen Roman (retuschiert)