Selbstüberschätzung: Warum Sie Ihre Chancen falsch einschätzen
Sind Sie besonders attraktiv? Wenn Sie jetzt „nein“ sagen, dann frage ich anders: Wie viel attraktiver als der Durchschnitt sind sie? Vielleicht sagen Sie jetzt 70 oder 80 Prozent – und schon sind Sie in die Falle gegangen – Sie haben sich voraussichtlich selbst überschätzt. Der Durchschnitt liegt bei 50 Prozent, und es ist am wahrscheinlichsten, dass Sie ein paar Prozentpunkte um den Durchschnitt herum liegen. Falls es Sie nicht erschreckt: Es könnte auch sein, dass Sie etwas unter dem Durchschnitt liegen.
Selbstüberschätzung ist ein normaler Ego-Kitt
Es ist nicht weiter gefährlich, sich selbst ein wenig zu überschätzen. Es ist nur gefährlich, daran zu glauben, dass Sie „weitaus bessere Chancen“ haben als die Masse. So gut wie alle Partnersuchenden (vor allem im Internet) überschätzen sich maßlos, was man daran erkennen kann, dass sie wesentlich mehr wollen, als eigentlich zu haben ist.
Begehrt sein heißt nicht, ehetauglich zu sein
Nehmen wir ein Beispiel: Sie sind 33, alleinerziehende Mutter eines Kindes und haben eine absolute Traumfigur. Ihre erotischen Qualitäten sind so wunderbar, dass alle Männer, die mit Ihnen schlafen, vollständig begeistert sind. Trotzdem liegt ihre Attraktivität für eine Ehe nur dann hoch, wenn Sie außerdem ein akzeptables eigenes Einkommen haben, Ihr Kind vom Partner akzeptiert wird und Sie ein ganzes Bündel von positiven Eigenschaften für Partnerschaften mit einringen. Mag sein, dass sie dann auf etwas über 50 Prozent, also ein wenig über den Durchschnitt kommen. Wenn Sie das akzeptieren, können Sie einen Partner finden, der auch etwas über dem Durchschnitt liegt.
Selbstüberschätzung kann zum Erfolg führen – aber sehr selten
Psychologisch wäre die Sache nun leicht abzuhandeln – wir leben offenbar damit und teilweise dadurch, uns selbst zu überschätzen. Wer Erfolge mit der Selbstüberschätzung hat (so etwas gibt es), der wird nun lächeln, denn der Erfolg gibt ihm ja recht. Doch diese Menschen sind seltene Ausnahmen im Pulk der notorischen Selbstüberschätzer.
Selbst-Entlarvung für Selbstüberschätzer: der Partnermarkt
Es gibt ein untrügliches, ja sozusagen entlarvendes Mittel, eine Goldwaage für Selbstüberschätzer. Sie heißt Markt. Selbstverständlich ist auch der Markt nicht frei von Strömungen und Tendenzen, und auch auf ihm gehören Trend-Fehleinschätzungen zum Alltag. Dennoch beurteilt er seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer gnadenlos.
Dem Markt entfliehen wollen: Zwecklos
Notorische Selbstüberschätzer hassen den Markt, weil auf ihm eine gewisse Objektivität herrscht. Wer sich als Partnersuchender selbst überschätzt, versucht, den Marktgesetzen zu entgehen: vom allgemeinen Markt auf Spezialmärkte, von der Singlebörse zur Online-Partnervermittlung, von der Online-Partnervermittlung zur handverlesenen Partnervermittlung. Irgendwann hofft man, der Unerbittlichkeit des Marktes zu entkommen.
Wie ich bereits schrieb – es gibt vereinzelte Partnersuchende, die den Sprung „über die eigene Einschätzung hinweg“ wagen und dabei gewinnen. Sie überschätzen sich zwar selbst, aber sie „verkaufen“ diese Einschätzung gut. Das allerdings muss man beherrschen. Ich verdeutliche Ihnen einmal den Unterschied:
Jana hat eher mittelmäßige Chancen: Sie sieht durchschnittlich aus, hat nur Verkäuferin gelernt und auch ihre erotischen Qualitäten sind eher durchschnittlich. Sie hat aber ganz nette Umgangsformen, und mit ihrer Hilfe lernte sie einen Herrn kennen, der sie in die Geheimnisse der intellektuellen Welt eingeweiht hat. Unter weiterer Mithilfe einer Kosmetikerin und einer Stylistin, den erworbenen Grundkenntnissen der intellektuellen Welt sowie ihrem Charme versteht sie, gepflegte Kommunikation mit Männern zu machen – und gewinnt. Deshalb glaubt Jana, eine der begehrtesten Frauen ihrer Stadt zu sein – und damit liegt sie nicht falsch.
Nora hat wundervolle Chancen, wie sie glaubt. Sie ist aus gutem Hause, besitzt ein Reifezeugnis, hat einen Abschluss in Betriebswirtschaft und inzwischen einen Job, der ihr ermöglicht, eine kleine Eigentumswohnung zu halten und einen schickes Cabrio zu fahren. Sie kleidet sich beim ersten Haus am Platze ein und glaubt, rundum begehrenswert zu sein. Jeden Tag steht sie vor dem Spiegel, sieht ihren schönen, femininen Körper an und sagt zu Ihrem Spiegel: „Ich bin schön, nicht wahr?“ Doch sie findet keinen Mann, weil ihr keiner der bisherigen Kandidaten gut genug war. „Eine Frau, die so schön und begehrenswert ist wie ich?“, sagt sie sich, „verdient einen Alpha-Mann.“ Ganz klar – diese Frau überschätzt sich selbst, denn in Wahrheit taucht ihr „Typ“ mit dem geschilderten Verhalten am Markt in Massen auf.
Nur sich selbst sehen – das Hauptproblem der Selbstüberschätzung
Das Problem der Selbstüberschätzung am Partnermarkt besteht vor allem darin, nur sich selbst zu sehen. Das eigene ICH, das SELBST, die Persönlichkeit werden verherrlicht – und daraus entsteht die sogenannte „Anspruchshaltung“. Der notorische Selbstüberschätzer, ob weiblich oder männlich, sieht nicht, dass andere auch noch da sind: Konkurrenten wie auch „Kunden“, und dass sie alle am gleichen Markt agieren.
Einmal mit einer tollen Person zu schlafen bedeutet gar nichts
Also: Schluss mit der Selbstüberschätzung. Es bedeutet nichts, dass sie einmal, zwei Mal oder gar drei Mal einen Arzt, Rechtsanwalt oder Unternehmer treffen konnten, der sich in ihre schönen Augen verliebt hat und deswegen ein paar Wochenenden mit Ihnen verbringt. Ob Sie schon mit einem Opernsänger oder mit einem Stararchitekten geschlafen zu haben, heißt gar nichts – sie können dennoch zu den Frauen unter 50 Prozent Beziehungschancen gehören. Für Männer gilt Ähnliches, jedoch verabreden sich Frauen selten „unter Wert“, sodass sie seltener Gelegenheit haben werden, aus der „zweiten Linie“ heraus mit einer Professorin, Schriftstellerin oder Laufstegschönheit auszugehen oder mit ihr zu schlafen. Aber auch hier gilt: Ein Date zu haben bedeutet nicht viel, und wer heutzutage mit einer Frau schläft, kann nicht sicher sein, sie auch wiederzutreffen.
Selbst-Marketing – ein Mittel gegen Selbstüberschätzung
Wem der Markt als Waage für die Selbsteinschätzung nicht reicht – und die Zahl der Betroffenen geht nach meinen Schätzungen in den Bereich von hunderttausend Personen, der sollte versuchen, sich im Licht der anderen zu sehen. Persönlich kann jeder von uns seine sozialen, intellektuellen, emotionalen und erotischen Fähigkeiten so herausstellen, dass sie (möglichst im Bündel) „gekauft“ werden. Selbst-Marketing ist kein Luxus – sondern eine der Bedingungen, um am Partnermarkt Erfolg zu haben.