Verwirrende Worte zu Beziehungen und sexuellen Identitäten
Überschriften haben es in sich: Pornografie im Internet erschwere den „Aufbau einer sicheren Identität“ bei jungen Erwachsenen, sagt ein Professor, und er bedroht uns noch mit einer anderen Vorstellung (Zitat):
In einer Phase, wo sich unveränderliche Weichenstellungen ergeben – denn die sexuelle Präferenzstruktur manifestiert sich im Jugendalter und bleibt dann bis zum Lebensende unverändert bestehen.
Diese Horrorvorstellung hören wir wohl, allein, uns fehlt der Glaube an die professorale Unfehlbarkeit. Eine „unveränderliche“ Weichenstellung auf ein mögliches Abstellgleis der Sexualität durch „Lernen am Sehen“, und nicht „Lernen durch Handeln“? Alles zu spät bereits mit 14 oder 16? Keine Korrektur mehr möglich? Unterschätzt der Professor da nicht die Möglichkeiten der Menschen, die oft im Widerspruch zu den Vorgaben der Wissenschaft stehen?
Überhaupt: Eine „sichere sexuelle Identität“ aufbauen – ist das nicht eine Forderung aus dem Märchenbuch? Was mich stört, ist eigentlich beides – „die sexuelle Identität“ wie auch das Wort „sicher“. Gibt es denn eine sexuelle Identität, die sozusagen als Parallelwelt von der übrigen Identität entsteht? Und wie „sicher“ ist sie eigentlich im Laufe eines Erwachsenenlebens? Es scheint so, als sie alles ein wenig plakativ, was der „Tagesspiegel“ da dem Professor entlockt hat.
Auch bei den heutigen Beziehungen finden wir nichts als ein paar angerissene Meinungen, die eher verwirren als erhellen. Der Professor versucht zunächst, die Schüchternheit vieler junger Männer mit fehlender „sicherer sexueller Identität“ zu belegen, sagt aber bereits im nächsten Satz, dass sich der Bindungswunsch der jungen Menschen nicht ändert. Im wiederum nächsten Satz wird „unsere Gesellschaft“ für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht, bevor die Katze aus dem Sack gelassen wird: „Der Fokus liegt eindeutig auf der individuellen Lust und nicht der gemeinsamen Beziehung.“
Nun mag sich jeder selbst seinen Reim auf diese Aussagen machen, und wer sie für hilfreich hält, der möge jetzt die Hand heben. Mein Daumen jedenfalls geht nach unten.
Die Zitate von Professor Klaus Michael Beier entnahmen wir dem Tagesspiegel.