Vorteile der Beschleunigung – der Nutzen für die Partnersuche
Wir können von Philosophen lernen, dass es kaum noch Normen gibt, die uns den Rücken freihalten. Wir sind daher gezwungen, unsere eigenen Normen zu gestalten.
Im Internet finden wir eine Welt vor, die im Grund jenseits unseres Vorstellungsvermögens liegt, auch wenn wie uns täglich (vielleicht gar beruflich) mit dem damit beschäftigen. Die Welt der Partnersuche hat dort keine eindeutige „Gestalt“ – sie ist vielmehr das Gestaltungsmaterial in unsern Händen. Die Partnersuche im Internet fordert aber auf der anderen Seite eigene Festlegungen, und wo man sich nicht festlegen möchte, wenigstens Grenzen der Bereiche, in denen man sich bewegen könnte.
Ich sage nicht leichthin „jeder ist seines Glückes Schmied(in)“. Ich sage es, weil es in Wahrheit keine Partnersuche ohne eigene Werte gibt, und weil Sie bei der „Suche ohne Werte“ auch ein „Muster ohne Wert“ anbieten.
Herausforderung Internet-Bekanntschaft
Im Internet, so eine bekannte Meinung, können man Menschen kennenlernen, deren Bekanntschaft zu machen ohne Internet unmöglich wäre. Das stimmt, gilt aber in jede Richtung: Man lernt dort Menschen kennen, die anderen inneren wie äußeren Welten angehören, ja sogar solche, von deren Existenz man nicht einmal etwas ahnte. All diese Menschen stellen ein Herausforderung dar – und jeder Partnersuchende muss sich fragen lassen: Bin ich denn bereit für eine derartige Herausforderung? Ist eine Professorin oder ein Diplomat der Umgang für mich, den ich mir wünsche? Nützt oder schadet mir, wenn der Partner abweichenden, vielleicht gar skurrilen Neigungen nachgeht und will ich daran partizipieren? Weiß ich, welche Risiken ich eingehe, wenn ich ihn/sie mit solchen Eigenschaften, Neigungen und Hintergründen kennenlerne?
Das vergessene Thema: Anpassung in Beziehungen
Es gibt Partnersuchende, die sich anpassen wie die Chamäleons, aber es werden immer weniger. Die meisten Frauen und Männer beginnen von „Selbstverwirklichung“ zu faseln, bevor die erste halbe Stunde eines Gesprächs vergangen ist – eigentlich müssten sie über Anpassung sprechen. Mitglied des diplomatischen Korps in Wien zu sein, mag Frauenträume anheizen – aber sicherlich nicht, dann die nächsten Jahre in Togo zu verbringen. Männer mit Abitur, aber ohne Berufserfolg mögen sich in eine Beziehung mit einer Professorin hineinträumen, müssen dann aber auch ertragen, als „Prinzgemahl“ verachtet zu werden. Anpassung ist und bleibt ein Schlüsselwort in Zweierbeziehungen, auch wenn sich die Möglichkeiten, sich nicht ständig anzupassen, deutlich erweitert haben.
Die fehlende Nähe – kein Argument gegen das Internet
Das bekannteste Argument gegen Internet-Bekanntschaften ist das der fehlenden Nähe – räumlich, emotional, kulturell und überhaupt, wobei „überhaupt“ immer sehr viel Raum zugemessen wird. Wenn der „andere Kulturkreis“ bereits im vornehmeren Stadtviertel beginnt, wie dies manche Hansestädter behaupten, dann ist dieses Argument natürlich blödsinnig. Die Entwicklung einer Stadt, eines Volkes, ja, sogar Europas ist davon abhängig, dass sich die Kulturen durchdringen. Das Argument hält also nicht stand. Die Überwindung von Grenzen ist nicht „unnormal“, sondern höchst willkommen in Beziehungen. Heute heiratet nicht mehr die Rechtanwaltstochter den Arztsohn, sondern Frau A. heiratet Herrn B. Warum sollte Frau A. nicht eine ungarische Dolmetscherin und Herr B. ein deutscher Volksschullehrer sein? Und warum sollte Herr B, seine japanische Ehefrau A. nicht in Kanada kennenlernen? Es gibt keinen Grund, so etwas von vornherein zu verneinen. Diese Verhältnisse sind heute durchaus ganz gewöhnliche Geschichte aus dem Leben, keine Märchen für Erwachsene. Letztendlich aber sind sie vor allem eines: Der positiv sichtbare Erfolg der Beschleunigung. Ganz deutlich wird dies auch bei den vielen Beziehungen zwischen Individualisten, die ganz gezielt Partner suchen, die so selten sind wie Goldmünzenfunde im deutschen Wald. Letztendlich: Wer seine zweite oder dritte Ehe sucht, wird kaum darum herum kommen, auf die Überholspur zu wechseln und nicht in der Schlange vor dem Wartesaal zum großen Glück auf Wunder zu hoffen.
Warum wollen viele Menschen nicht mit an Bord gehen? Warum widersetzen sie sich der Beschleunigung? Warum wollen sie sich „entschleunigen“ und kann dies denn überhaupt noch gelingen? Im dritten Teil dieses Artikels (noch diese Woche) erfahren Sie mehr darüber.