Online-Dating ist sinnvoll – Psychologenmeinung möglicherweise nicht
Datingseiten-Betreiber reagieren durchaus unterschiedlich, wenn Psychologen Artikel oder Bücher „pro und kontra“ Online-Dating geschrieben haben oder neue Studien darüber bekannt werden. Ein deutscher Anbieter hat in der Vergangenheit immer besonders die „psychologische“ Seite der Partnerwahl betont – doch bereits seit vielen Monaten setzt man dort – angepasst an eine neue Klientel – auf ein „Datingforum“. Die Psychologie ist heute zu einem „weiten Feld der Meinungen“ verkommen, in dem Populisten mittlerweile mehr zählen als sorgfältige Analytiker. Allein deswegen hat sie auch unter Akademikern nicht mehr ihren ursprünglichen Stellenwert.
Auch angesehen Forscher produzieren Wissenschaftsschrott
Seit eine Gruppe von ernst zu nehmenden Forschern nun entdeckt hat, wie dünn das Eis der psychologischen Grundlagen beim „Matching“ ist, wird deren Studie auch benutzt, um die eigenen Ideen „schön zu reden“. Doch ist die angeblich so verlässliche Studie wirklich sinnvoll? Könnte es nicht auch sein, dass die inzwischen berühmt gewordene Studie viel wissenschaftlichen Schrott enthält?
Knackpunkte und Pferdefüße: Beispiel E-Mail-Verkehr
Ich will Sie schnell zu einem „Knackpunkt“ der Studie führen. Die Forscher hatten ja unter anderem die Verwendung der Dienste durch die Kunden beklagt. Wahrscheinlich hat jeder von Ihnen schon einmal von dieser Konstellation gehört (interpretiert):
1. Sie lesen ein Profil und finden es interessant.
2. Sie entschließen sich, den Menschen dahinter anzuschreiben.
3. Sie bekommen eine E-Mail zurück, die sich sehr positiv liest.
4. Ein Kreislauf beginnt. Sie schreiben zurück, ihr Partner schreibt zurück … das alles geschieht sehr häufig im Wechsel.
5. Mit jeder E-Mail werden ihre Erwartungen höher und ihr Sehnsüchte größer.
6. Es gibt Ansätze, einander zu treffen, aber es gibt stets Hindernisse.
7. Am Ende geben Sie auf – oder Sie treffen sich wirklich einmal und denken: Ach du liebes Bisschen, der/die?
Es ist relativ klar, dass Sie ihr Partner damit „hinhält“ – aber diese Situation als typisch zu bezeichnen, ist psychologische Überheblichkeit. Die Verunsicherung beruht darauf, dass ein Partner mit dem anderen „Marionette“ spielt: „Sieh mal, wie lange ich dich an den Fäden meines Charms führen kann.“
Die alte Leier: Das Angebot sei „zu groß“
Auch ein zweiter Vorwurf gegen Online-Dating ist ein „Rohrkrepierer“: Die absolute dümmliche Behauptung, das Angebot sei zu groß. In Wahrheit ist das Angebot, mathematisch mit korrekten Zahlenwerten jederzeit beweisbar, viel zu gering – außer in Großstädten und Ballungsgebieten.
Interpretiert wird das von interessierter Seite so:
Vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer gilt als untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Datingseiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, sodass es schwer sei, aus den Profilen viel über die potenziellen Partner zu erfahren.
Das “Überschütten„ trifft manchmal tatsächlich zu (Asche auf das Haupt derjenigen, die es tun), ist dann aber eben der „große Schuss vors Hirn“, der dem Interessenten suggerieren soll, über eine riesenhafte Datenbank zu verfügen. Auch hier lässt sich mathematisch wieder leicht feststellen, dass dabei etwas nicht stimmen kann, denn die Anzahl der Mitglieder im Umkreis der Kleinstädte oder ländlichen Regionen gibt eine „große Anzahl“ von Interessieren Singles gar nicht her.
Auch all die anderen Argumente der Forscher treffen nicht hundertprozentig ins Schwarze – richtig ist allerdings, dass es keine wissenschaftlich abgesicherten Kriterien zu Partnerübereinstimmung („Stichwort „psychologische Tests“) gibt. Wie solche Test wirklich zu beurteilen sind, lesen Sie nur der der Liebepur.
Sind Partnersuchende wirklich leichtgläubig?
Die Studie, so sorgfältig sie auch erstellt worden sein mag, hat einen Pferdefuß, der zuerst gar nicht auffällt: Forscher glauben offenbar, dass sich tatsächlich existierende Partnersuchende auf das verlassen, was ihnen Datenbankabgleiche, Psychotests und andere Hilfskriterien versprechen. Es mag sein, dass manche entsprechend disponierte Menschen – von der Akademikerin bis zur Küchenhilfe – so blauäugig sind. Die meisten Menschen betrachten die Partnersuche per Internet aber eher als einen lustvollen Vorselektionsprozess, aus dem sich dann vereinzelte Kontakte ergeben, die wieder in Dates verwandelt werden können.
Mehr Eigenverantwortung, bitte schön!
Man kann dies gar nicht oft genug sagen: Nicht die Betreiber der Datingseiten sind verantwortlich für das persönliche Befinden bei der Partnersuche, sondern ausschließlich die suchende Person.
Noch ein Satz zum Schluss: Dem Autor dieser Zeilen erscheint eine Vorselektion per Datenbank oder Psychotest sinnvoller zu sein als das unqualifizierte Spontantreffen mit einer zufälligen Interessentin.