Sexpartner aus dem Internet: meschugge oder ganz normal?
Mindestens seit gestern ist vielen Menschen klar geworden: Das Internet ist ein Platz für erotische Kontakte, und Frauen sind die Essenzen, um die sich alles dreht. Gemeint ist der Tatort-Krimi „Borowski und der coole Hund“, und im Zentrum stand dort die fragwürdige Frauengestalt der „Ina Santamaria“, und viele Zuschauer werden sie für eine reine Romanfigur gehalten haben. Wer die echten „Santamarias“ einmal kennengelernt hat, wird stutzen: Sexprinzessinnen gibt es viele, und nicht alle sind Fälle für Selbsthilfegruppen.
Der Typ Frau ist im Alltag keinesfalls „meschugge“. In Wahrheit finden wir in Zeitungsanzeigen und im Internet seit Jahrzehnten Frauen vor, die sich ein an sich ödes Leben mit Sex aufschönen. Es sind Frauen, die im Bett diejenige Anerkennung finden, die ihnen sonst versagt bleibt. Bevor wir sie entweder bemitleiden oder verdammen, sollten wir über unsere eigenen „kleinen Fluchten“ nachdenken. Ist es wirklich so abwegig, in einer Liebesnacht für ein paar Stunden die Lust am Leben zu finden, die uns sonst nicht hold ist?
Überlegen wir einen Moment: Hätte man diese Frau nicht als „leicht meschugge“ und suizidgefährdet geschildert, dann wäre der Fernsehfilm für viele nicht mehr durchgegangen. Solch ein Frauenbild kann man auch heute im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur dann vermitteln, wenn man Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit sät. Doch wie weit ist diese Frau eigentlich von der Realität entfernt? Gibt es nicht inzwischen ein paar Tausend Frauen, die sich via Internet wechselnde Lover suchen? Müssen wir diesen unterstellen, sie all seien „psychisch krank“, wenngleich nicht so, dass gleich die Einweisung in eine geschlossene Anstalt droht?
Nein – so ist es nicht. Zwischen der bewussten Wahl ständig wechselnder Partner und dem Wahn, nur mit Sex glücklich zu sein, liegt ein weites Feld von Möglichkeiten, mit sich selbst und anderen umzugehen. Frauen, die gerne mit Männern ausgehen und häufig Blind Dates haben, kalkulieren oft auch Liebesnächte mit ein – und nichts ist normaler als dies.
Zumeist ist es eine Kombination von „kontrollierter Bedürftigkeit“ und Zeitmangel, der Frauen in die „nächteweise“ Liebe treibt, und sicherlich ist es manchmal auch Passion oder Abenteuergeist. Doch eines sollten wir nicht unterstellen: Unkontrollierte Geilheit. Sicher, auch diese Frauen gibt es, und nicht alle sind deshalb bereits „psychisch gestört“. Wie, wann, wo und mit wem man sich der Liebe hingibt, ist Privatsache und entzieht sich der Beurteilung durch die Mitmenschen.
Interessant im Krimi war übrigens die Diskrepanz zwischen dem schwedischen Kommissar, der wohl wegen seiner aktiv ausgelebten, dabei aber äußerst lebensfrohen lockeren Moral sterben musste, während die Sexprinzessin, die als psychisch krank geschildert wurde, überleben durfte. Auch im schwedischen Krimi (die Vorlage stammte vom schwedischen Krimiautor Henning Mankell) wird die Moral offenbar so eingestellt, wie sie das Volk gerne hätte.